Ein Salzburger ist der Schinder der Weltmeister

Formel Schinder Weltmeister
Formel Schinder Weltmeister(c) REUTERS (POOL)
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Durch die Hände des Salzburger Physiotherapeuten Josef Leberer gingen seit 1988 unzählige Weltmeister. Er lebt für seinen Job, war aber bei Unfällen näher dran, als ihm lieb war. Vor allem bei Ayrton Senna in Imola 1994.

„Geht es Ihnen schlecht? Wollen Sie deshalb zu Josef?“ Es ist selten in der Formel 1, dass man als Fremder so freundlich in einem Motorhome empfangen wird. Doch bei Sauber ist alles anders, vor allem dann, wenn man zum Salzburger Fitnessguru Josef Leberer möchte. Also läuft PR-Assistentin Heike am Buddh International Circuit zu Delhi sofort die Stufen hinauf, holt den 51-jährigen Physiotherapeuten und ist danach sichtlich erleichtert. „Ach so, Sie wollen nur quatschen. Ihr Österreicher...“

Leberer ist ein gefragter Mann. Er kam 1988 als Willi Dungls Schüler in die Formel 1 und ist seitdem eine Fixgröße, wenn es darum geht, Rennfahrer F1-tauglich zu machen. Auch hat er stets Rat für kleinere Wehwehchen, die abseits des Rennsports passieren. Aber Geheimnisse, die ihm Fahrer wie Ayrton Senna, Alain Prost, Gerhard Berger, Mika Häkkinen, David Coulthard, Kimi Räikkönen und andere anvertrauten, gibt er niemals preis. „Dafür ist mir die Beziehung zu den Menschen zu wichtig, es muss eine Vertrauensbasis bestehen. Da gibt es eben vieles, über das man nicht spricht.“

Sennas Wegbegleiter

Der Salzburger ist verantwortlich dafür, dass bei Fahrern die Grundbasis für Formel-1-Rennen geschaffen wird. Er trainiert und massiert ihre Muskeln, er bolzt Kondition mit ihnen und achtet darauf, dass sie die Anforderungen bewältigen, „die meist über eineinhalb Stunden lang bei der drei- oder vierfachen Erdbeschleunigung liegen“. Früher war seine Arbeit leichter, sagt Leberer, da wären „fertige Fahrer“ gekommen, die um ihre Schwachstellen Bescheid wussten. Heute muss er junge Talente erst formen, betreuen und dann fit ins Cockpit setzen.

Dass sich bei einer Arbeit, „die in der Früh beginnt und spätnachts aufhört“, Freundschaften bilden, ist für Josef Leberer ein angenehmer Nebeneffekt. Emotionen gehören zum Rennsport dazu, genauso wie Trauer und Rückschläge. Niemals wird er das Rennwochenende in Imola 1994 vergessen. „Erst der schwere Unfall von Rubens Barrichello, dann starb Roland Ratzenberger, dann Ayrton Senna. Schreckliche Momente, es waren katastrophale Tage.“

Zwischen ihm und dem Brasilianer, den heute noch ein Mythos umgibt wie kaum einen anderen Rennfahrer, stimmte damals die Chemie auf Anhieb. Senna akzeptierte Leberer, der Charismatiker kam mit dem ehrlichen Salzburger schnell zurecht. „Es war eine phänomenale Zeit mit ihm.“ Dass sie mit Sennas Tod abrupt enden musste, war ein schwerer Schlag für den Österreicher. Dennoch kam er dem ausdrücklichen Wunsch von Sennas Familie nach und hielt bei der Überstellung von Sennas Leichnam im Flugzeug nach Brasilien die Totenwache neben dem Sarg. „Es war ein beklemmendes Erlebnis, und der längste Flug meines Lebens...“

Obgleich er damals die Formel1 verlassen wollte, ist Leberer geblieben. Seine Entscheidung hat er nie bereut, „das ist eben seit 23Jahren Teil meines Lebens“. Dass sein Job schwieriger und zeitaufwendiger ist, als manche denken, ist ihm bewusst. Aber irgendjemand muss ja dem Fahrer die Sporen geben. „Der Vergleich ist ungefähr so: Nehmen Sie einen Regionalligaspieler her, bearbeiten Sie ihn, trainieren Sie ihn, und dann kickt er im Nationalteam.“ Erfolgreich auch noch, denn Leberers Schützlinge holten zig Titel. „Für den Erfolg bin ich schließlich engagiert worden“, sagt er trocken.

„Kimi kommt zurück“

Seit 1997 arbeitet er nach Stationen bei McLaren und Williams im Sauber-Team, und mitten im Plaudern entschlüpft ihm doch ein „Geheimnis“. Er trimmte einst den Finnen Kimi Räikkönen bei Sauber und legte damit den Grundstein für dessen WM-Sieg 2007 mit Ferrari. Noch heute hat er Kontakt zum Finnen, obgleich dieser in der Rallye-WM fernab der Formel 1 seine Runden dreht. „Kimi kommt zurück“, platzte es aus Leberer heraus, und er bemühte sich, schnell ein „wahrscheinlich“ hinzuzufügen. Zuletzt war im hohen Norden in der gut informierten „Turun Sanomat“ zu lesen, Räikkönen könnte nächste Saison bei Williams als Barrichello-Ersatz landen. Es gab Gespräche, von einem Vertrag aber sei man weit entfernt. Egal, Kimi wäre jedenfalls ein würdiger Herausforderer des Champions Sebastian Vettel. Aber dazu sagte Leberer nichts. Schließlich hat er auch bei Vettels erstem Nackentraining in Seefeld seine Finger im Spiel. Und das verpflichtet.

Ergebnis Grand Prix von Indien: 1. Vettel (GER/Red Bull), 2. Button (GBR/McLaren), 3. Alonso (SPA/Ferrari), 4. Webber (AUS/Red Bull), 5. Schumacher (GER/Mercedes), 6. Rosberg (GER/Mercedes), 7. Hamilton (GBR/McLaren).
WM-Stand: 1. Vettel (GER) 374 Punkte, 2. Button (GBR) 240, 3. Alonso (SPA) 227, 4. Webber (AUS) 221, 5. Hamilton (GBR) 202.
Konstrukteurs-WM:
1. Red Bull 595, 2. McLaren 442, 3. Ferrari 325, 4. Mercedes 145, 5. Lotus 72.

Zur Person

Josef Leberer absolvierte eine Ausbildung bei Fitnessguru Willi Dungl. 1988 kam der heute 51-Jährige in die Formel 1. Seither gingen Stars wie Ayrton Senna, Alain Prost, Gerhard Berger, Mika Häkkinen, David Coulthard und Kimi Räikkönen durch seine Hände.

Beim Sauber-Team arbeitet Leberer mittlerweile als Physiotherapeut. Doch oft suchen auch Fahrer aus anderen Lagern seinen Rat – so etwa Sebastian Vettel. Der Doppelweltmeister absolvierte beim Salzburger Leberer ein
Nackentraining. [Gepa]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2011)

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