Palästina bringt Unesco in Geldnot

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Abstimmung: Die UN-Kulturorganisation nahm die Palästinenser als Vollmitglied auf. Österreich hat wie einige andere EU-Staaten dafür votiert. Die USA hatten gegen eine Aufnahme mobil gemacht.

Paris. Es war eine kostspielige Entscheidung: Auf einen Schlag verlor die Unesco Montagabend fast ein Viertel ihres Etats: Die USA protestierten mit der Einstellung ihrer Beitragszahlungen gegen die vorangegangene Entscheidung der UN-Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, Palästina als 195.Vollmitglied aufzunehmen. Mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit hat die Generalkonferenz der Unesco am Montag dafür gestimmt. Diese positive Antwort auf das palästinensische Gesuch war den Mitgliedern vom Exekutivrat mit 40 von 58 Stimmen empfohlen worden. Der Abstimmung war ein intensives diplomatisches Tauziehen vorausgegangen.

Die USA hatten gegen eine Aufnahme mobil gemacht und gewarnt, dass es ihnen aufgrund ihrer Gesetzgebung nicht erlaubt sei, Beiträge an eine internationale Organisation zu entrichten, die nichtstaatliche Mitglieder habe. Und ob Palästina im Sinne der Vereinten Nationen als Staat zu betrachten und in die Völkergemeinschaft aufzunehmen sei, das wäre Aufgabe des Sicherheitsrates. In diesem Gremium aber haben die USA bereits in Aussicht gestellt, dass sie das palästinensische Beitrittsgesuch mit ihrem Veto stoppen würden. Aus der Sicht der Befürworter einer palästinensischen Unesco-Mitgliedschaft nahm sich die amerikanische Drohung mit finanziellen Retorsionsmaßnahmen wie eine „Erpressung“ aus. Entsprechend kann das Ergebnis auch als Votum gegen diese amerikanische Vetodrohung interpretiert werden.

Österreich hofft auf Sitz in Exekutivrat

Für Israel und die USA war der Antrag auf eine Vollmitgliedschaft in der Unesco hingegen wie ein Versuch, durch die Hintertür der Vereinten Nationen doch irgendwie zur Anerkennung als eigenständiger Staat zu gelangen. Noch kurz vor der Stimmabgabe durch die Delegationen an der Generalkonferenz in Paris hatten die USA eine palästinensische Unesco-Mitgliedschaft als „verfrüht“ und „kontraproduktiv“ bezeichnet; die Gründung eines international anerkannten palästinensischen Staates müsse das Ergebnis einer umfassenden Einigung bei Friedensverhandlungen sein.

Bis zuletzt hatte man sich in der Unesco gefragt, ob eine Mehrheit schließlich doch gegen ihre ursprüngliche Absicht stimmen und das Gesuch der palästinensischen Autonomiebehörde ablehnen würde. Am Schluss zählte man 107Ja- und 14 Neinstimmen. Da die 49 Enthaltungen für die Berechnung nicht zählen, war die das Kriterium von zwei Dritteln der Stimmen erfüllt.

Die EU-Mitgliedstaaten waren sich einmal mehr nicht einig gewesen: Österreich zählte zu jenen elf EU-Ländern, die die Aufnahme Palästinas in die Unesco unterstützten. Deutschland und vier weitere EU-Länder stimmten dagegen. In Berlin hieß es, man wolle den UN-Antrag der Palästinenser nicht präjudizieren. Der Rest, darunter Großbritannien und Italien, hielt sich an die Empfehlung der Außenbeauftragten Catherine Ashton, sich der Stimme zu enthalten.

Heute, Mittwoch, wird über die neue Zusammensetzung des Unesco-Exekutivrates entschieden, und Österreich hat laut Außenamtsstaatssekretär Wolfgang Waldner gute Chancen, einen der sechs Sitze der Europäer-Gruppe zu bekommen und wie schon 1974 bis 1979 und 1995 bis 1999 wieder in diesem Leitungsgremium vertreten zu sein. Um die sechs Sitze bewerben sich sieben Länder.

Schulen in Südisrael blieben geschlossen

Paris. Wegen des Raketenbeschusses aus dem Gazastreifen waren die israelischen Schulen, die in Reichweite der Geschosse liegen, am Dienstag bereits den dritten Tag in Folge geschlossen. Am Montag waren sieben Raketen auf Israel abgefeuert worden. Die Geschosse hatten eine Reichweite von etwa 40 Kilometern. Seit Montagabend sei jedoch kein Einschlag mehr registriert worden, teilte eine Sprecherin der Streitkräfte mit. Israel habe auch keine Angriffe mehr geflogen.

Seit Mittwoch vergangener Woche sind insgesamt 50 Raketen und Granaten aus dem Gazastreifen auf Israel abgeschossen worden. Die israelische Luftwaffe hat laut Militärangaben seit Samstag sieben Angriffe auf den Gazastreifen geflogen. Dabei starben 13 Palästinenser. Die meisten der Getöteten waren angeblich Mitglieder der Organisation „Islamischer Jihad“, die die Raketen abgefeuert hatten. In Israel wurde ein Mann in der Küstenstadt Ashkelon durch Granatsplitter getötet.

Der „Islamische Jihad“ ist kleiner als die im Gazastreifen regierende Hamas, gilt jedoch als noch radikaler. Beide werden vom Iran mit Waffen unterstützt, zuletzt dürfte Teheran allerdings gezielt den „Islamischen Jihad“ gefördert haben.

Lexikon

Die Unesco ist die UN-Unterorganisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (Stichwort: Weltkulturerbe). Sie wurde 1945 gegründet und hat ihren Sitz in Paris. Seit der umstrittenen Aufnahme Palästinas am Montag hat die Unesco 195Vollmitglieder. Palästina hofft auch auf eine Aufnahme als Vollmitglied der UNO. Auch im Falle der beiden deutschen Staaten – sie wurden im September 1973 aufgenommen – fungierte die Unesco als Wartesaal. Sie war die erste UN-Unterorganisation, der die DDR als vollwertiges Mitglied beitreten konnte (1972, die BRD war bereits seit 1951 vertreten).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.11.2011)

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