Die Judensau und andere Schiedsrichter

(c) EPA (ALI HAIDER)
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Jeder Fan oder Trainer, der Referees beschimpft, sollte zur Buße selbst ein Fußballmatch pfeifen.

Donnerstagabend, Brüssel, Europa-League-Spiel zwischen dem RSC Anderlecht und dem SK Sturm Graz: Vor uns ein Sturm-Anhänger, der jeden Pfiff des guten Referees Menashe Masiah aus Israel gegen die sportlich überforderten Grazer mit einem genüsslichen „Judensau“ quittiert. Die Überlegung, ihn zur Rede zu stellen, verflüchtigt sich beim Gedanken daran, dass es nicht nur in Brüssel nachts schwer ist, einen guten Kieferorthopäden zu finden.

Zwei Tage später, Wien, Bundesligaspiel zwischen der Austria und Wacker Innsbruck: Wacker-Trainer Walter Kogler ist über einen (tatsächlich falschen) Elfmeterpfiff erzürnt und wedelt mit einem Geldschein. Will er damit andeuten, der Schiedsrichter sei bestochen? „Ich habe dem Schiri mitgeteilt, dass ich mich schämen würde, wenn ich so pfeifen würde“, versuchte Kogler später zu beschwichtigen.

Mitte September, Berlin, Senioren-Landesliga: Ein zorniger Stürmer drischt Schiedsrichter Gerald Bothe mit der Faust ins Gesicht. Bothe verschluckt die Zunge, wird ohnmächtig und überlebt nur mit großem Glück.

Besteht zwischen diesen drei Geschehnissen ein Zusammenhang? Natürlich nicht. Oder doch? „Die können ja sonst nett sein“, sagt Bothe zur „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ über wütende Startrainer wie José Mourinho, „aber das sind falsche Vorbilder. Wir erleben das dann bei uns eins zu eins.“ In unserer Brüsseler Hobbyliga muss jedes Team bei anderen Spielen Linienrichter bereitstellen. Das lehrt Demut. Vielleicht sollte man das im bezahlten Fußball auch tun. Den Judenhass wird man damit nicht eindämmen. Aber zumindest für ein bisschen Respekt vor dem schweren Handwerk der Schiedsrichterei sorgen.

E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2011)

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