Grillitsch-Rücktritt: Und noch ein Bauernbund-Opfer

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Der ehrgeizige und machtbewusste Fritz Grillitsch tritt – nicht ganz freiwillig – nach zehn Jahren als Präsident des ÖVP-Bauernbunds ab. Schuld daran sind aber weder Sarrazin noch Strache.

Wien. Fritz Grillitsch hat ihn nicht eingeladen. Heinz-Christian Strache hat sich seine Einladung für den Vortrag von Thilo Sarrazin selbst besorgt – über einen befreundeten steirischen Bauernbündler. Der schwarze steirische Bauernbund weist seit jeher eine starke Affinität zu den Freiheitlichen auf. Schon im steirischen Landbund der Zwischenkriegszeit sind sowohl Christlich-Soziale als auch Nationale vertreten gewesen. 1933 folgte zwar die Trennung, aber gewisse Verbindungen blieben bestehen.

Dass der bisherige Bauernbund-Präsident Fritz Grillitsch über den von ihm organisierten Gastauftritt des deutschen Migrationsprovokateurs Thilo Sarrazin Ende September in Graz, den der Obmann der FPÖ dann für seine Zwecke instrumentalisierte, gestolpert sei, stimmt so allerdings nicht. Auch Grillitschs nachfolgend getätigte Aussagen, nicht integrierten Zuwanderern die Sozialhilfe zu streichen, hat die ÖVP nicht wirklich erschüttert. Ganz im Gegenteil. Grillitschs Aktionen und Positionen waren durch interne Umfragen gedeckt. Da denkt die Parteispitze nicht viel anders als der Bauernbund-Präsident, der gestern seinen Rücktritt verkündete.

Der Judenburger ist schon länger vor dem Abgang gestanden beziehungsweise man hat ihn ihm nahegelegt. Vor allem die Bauernbund-Funktionäre aus den anderen Bundesländern, allen voran Niederösterreich mit seinem Obmann Hermann Schultes, haben ihm das Leben schwer gemacht. Auch mit Bauernbund-Direktor Johannes Abentung soll es immer wieder Konflikte gegeben haben. Letztlich verlor Grillitsch nach dem Rücktritt von Josef Pröll auch seinen Rückhalt in der Parteiführung. Pröll war ebenso Bauernbündler wie der damalige Generalsekretär Fritz Kaltenegger. Auch die einst so bestimmende steirische Landespartei verliert nun noch weiter an Einfluss.

Telekom-Zahlungen an Bauernbund?

Der Grüne Peter Pilz äußerte gestern den Verdacht, Grillitsch könnte wegen Telekom-Zahlungen an den Bauernbund, von denen er selbst profitiert haben könnte, zum Rücktritt gezwungen worden sein. Die Telekom wollte sich gestern dazu nicht äußern. Ebenso wenig Grillitsch selbst. Er meldete sich nur per Aussendung zu Wort: „Gerade in den letzten Monaten ist mir bewusst geworden, dass es für mich immer schwieriger wurde, zum notwendigen Konsens und Ausgleich der unterschiedlichen Interessengruppen sowohl innerhalb des Bauernbundes wie auch im Gefüge der Partei beizutragen.“

Grillitsch, der sich mit Vorliebe mit der Arbeiterkammer und der Gewerkschaft anlegte, die zahlreichen Subventionen für seinen Stand jedoch vehement verteidigte, war in seiner Partei nie unumstritten. Die Scheidung von seiner Frau und die Beziehung zu Magda Bleckmann, damals Generalsekretärin der FPÖ, wurden ihm in der diesbezüglich noch immer sehr konservativen Volkspartei angekreidet. Durch die Scheidung verlor der Bauernbund-Chef auch seinen Hof, der der Familie seiner Frau gehörte. Ihm selbst blieben noch einige familieneigene Hektar, um seinen Anspruch oberster schwarzer Bauernvertreter sein zu können, gerade noch aufrechtzuerhalten. Grillitsch ist übrigens ein Neffe des Ex-ÖVP-Bundesparteiobmanns Josef Riegler.

Der 52-Jährige hat im Bauernbund auch mit gesellschaftspolitischen Positionen polarisiert: So sprach er sich etwa für die Homo-Partnerschaft aus – das war zwar auf Linie seiner steirischen Parteifreunde, nicht jedoch auf jener vieler ÖVP-Bauern.

Sein Amt als Vizeklubchef im Nationalrat legt Grillitsch ebenfalls zurück, einfacher Abgeordneter will er aber bleiben. Seine Nachfolge im Bauernbund ist noch ungeklärt, heute tagt das Präsidium. Vorerst dürfte als „Interimslösung“ Jakob Auer zum Zug kommen, dies wäre auch in Grillitschs Interesse. Auer hat erst diese Woche für Schlagzeilen gesorgt: Auf einer neuen Internet-Seite wird der Raiffeisen-Funktionär als jener Nationalratsabgeordnete mit den meisten Nebentätigkeiten geoutet – es sind derzeit zehn an der Zahl. Aber auch der Obmann des Wiener Bauernbunds, Franz Windisch, und der Niederösterreicher Schultes sind noch als Nachfolger im Gespräch.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wiederum bot gestern „all jenen ÖVP-Funktionären, die mit dem Linksabdriften ihrer Partei zutiefst unzufrieden sind“ an, „ein Stück des Weges gemeinsam zu gehen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2011)

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