Bauernbund: Hofübergabe ohne Altbauer

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Der Oberösterreicher Jakob Auer übernimmt die Geschicke des Bauernbunds und dementiert Zahlungen der Telekom. Amtsvorgänger Grillitsch war zeitgleich im Spital. Von dessen Rücktritt war Auer überrascht.

Wien/Aich. Warum Fritz Grillitsch sein Amt als Bauernbund-Chef abgegeben hat, darüber wollte sein Nachfolger Jakob Auer am Freitag nicht spekulieren. Natürlich hätte der Wechsel „auch glatter laufen können“, sagte Auer bei einer Pressekonferenz. Er sei vom Rückzug Grillitschs am Mittwochnachmittag überrascht worden. Umso schneller musste der Bauernbund handeln und designierte am Freitag in Wien einen neuen Vorsitzenden. Die formelle Kür Auers soll am 3.Dezember bei einem Bundesbauernrat stattfinden.

Der Oberösterreicher Auer gilt als Politprofi, er ist 63 Jahre alt und sitzt seit 28 Jahren im Parlament. Er sieht sich als Dauerlösung („sonst hätte ich nicht kandidiert“), auch sein schon etwas reiferes Alter spräche da nicht dagegen. „In China wäre ich bei der Jungen ÖVP“, meinte Auer in diesem Zusammenhang und verwies auf ältere Politiker. Distanz ließ der neue Bauernchef zu Thilo Sarrazin erkennen, der von Grillitsch zu einem Vortrag nach Graz eingeladen worden war. Das hatte politisch hohe Wellen geschlagen. „Ich hätte Sarrazin nicht nach Oberösterreich eingeladen“, so Auer.

Er distanzierte sich auch von Grillitschs Vorstoß, integrationsunwilligen Ausländern Sozialleistungen zu kürzen. „Ich will niemandem etwas wegnehmen“, sagte der oberste Bauer. Ohne Ausländer würde man etwa bei der Ernte „dumm dastehen“. Inhaltlich sieht Auer seine größten Herausforderungen bei der neuen europäischen Agrarfinanzierung, der für ihn nicht immer nachvollziehbaren Tierschutzdiskussion um die Ferkelhaltung sowie bei der Debatte um die Grundsteuer. Nachhaltige Landwirtschaft sei zwar wichtig, man könne aber auch in Zukunft nicht mehrheitlich Bioprodukte erzeugen, weil dies für viele Konsumenten unleistbar wäre. Aber auch abseits klassischer Bauernthemen werde er sich – etwa zu gesellschaftspolitischen Themen – sicher zu Wort melden, sagte Auer.

Grillitsch: „Ernste Geschichte“

Ein Thema war am Freitag auch der vom Grün-Mandatar Peter Pilz geäußerte Verdacht, es habe Zahlungen der Telekom an den Bauernbund gegeben, von denen Grillitsch auch persönlich profitiert haben könnte. Auer betonte, es habe kein Geld seitens der Telekom oder des Lobbyisten Peter Hochegger für den Bauernbund gegeben. Nur das (dem Bauernbund zugeordnete) „Forum Land“ habe Geld von der Telekom erhalten, dafür habe es aber eine Gegenleistung gegeben. Details über die Höhe wolle er in den nächsten Wochen nachliefern, so Auer. Ob er Grillitsch, der bisher zu den Vorwürfen schweigt, auf die angeblichen Telekomzahlungen angesprochen habe, wollten die Journalisten wissen. Nein, erwiderte Auer, Grillitsch sei nämlich auch bei der Wahl des neuen Obmanns nicht dabei gewesen. Der Amtsvorgänger befinde sich in einem Krankenhaus in Graz. Es handle sich um eine „sehr ernste Geschichte“, versicherte der neue Bauernbund-Chef.

Auer kündigte an, einige seiner bisherigen Funktionen zurücklegen zu wollen. Der ÖVP-Mann war erst diese Woche von der Internetseite www.meineabgeordneten.at zum Politiker mit den meisten Nebenjobs gekürt worden. Zu Unrecht, wie er meint, schließlich seien auch miteinander verbundene sowie unentgeltliche Funktionen mitgezählt worden. (Bezahlter) Aufsichtsratschef bei der Raiffeisen-Landesbank Oberösterreich werde er aber bleiben, sagte Auer.

Auf einen Blick

Fritz Grillitsch gab am Mittwoch überraschend seinen Rücktritt als Bauernbund-Chef bekannt. Ihm folgt Jakob Auer nach. Kolportiert wurde, dass der Wechsel im Zusammenhang mit Grillitschs Einladung von Thilo Sarrazin stand. Beobachter meinen aber, dass Grillitsch wegen interner Konflikte das Handtuch geworfen hat. Auch Grillitsch (52) selbst machte derartige Andeutungen. Nicht äußern wollte er sich aber zum Vorwurf, dass er von Zahlungen der Telekom profitiert habe. [Bruckberger]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2011)

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