Aus britischer Wunschfantasie wird „Armageddon-Szenario“

(c) EPA (KERIM OKTEN)
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Britische Regierung bereitet sich auf Ende des Euro vor, auch wenn es nicht in ihrem Interesse liegt. „Wir müssen die britische Wirtschaft schützen und sie durch diesen Sturm führen.“, so Cameron.

London. Lange war es die Wunschfantasie der euroskeptischen Briten – doch jetzt, da das Ende des Euro nicht mehr völlig unmöglich erscheint, schlägt die Regierung Alarm: „Ein Armageddon-Szenario“, meint der liberaldemokratische Wirtschaftsminister Vince Cable, und der konservative Premier David Cameron, erklärter Eurogegner (zumindest was die eigene Mitgliedschaft angeht), warnt eindringlich vor den Folgen des Euro-Endes für die britische Wirtschaft. „Es ist nicht in unserem Interesse, dass die Eurozone auseinanderbricht oder einzelne Länder die Eurozone verlassen“, so Cameron. „Wir müssen die britische Wirtschaft schützen und sie durch diesen Sturm führen.“ Im Finanz- und Wirtschaftsministerium, der Bank of England und der Finanzaufsichtsbehörde werden bereits die entsprechenden Notfallpläne ausgearbeitet.

Unter der Leitung eines Finanzstaatssekretärs überlegen die Experten etwa, wie das Bankensystem im Ernstfall am Laufen gehalten werden kann – und ob britische Banken erneut Staatshilfen bekommen müssten. Die vier größten britischen Geldinstitute haben allein Italien fast 50 Milliarden Euro geliehen, insgesamt haben UK-Banken über Kredite und Staatsanleihen 800 Milliarden Euro in der Eurozone investiert. Die Fachleute sollen darüber nachdenken, wie Unternehmen, die viel mit Euroländern Handel treiben, geholfen werden kann.

London will stärkere Rolle der EZB

„Wenn die Führer der Eurozone ihre Währung retten wollen, dann müssen sie jetzt handeln“, so Cameron. „Je länger es dauert, desto größer die Gefahr.“ Seinen Vize Nick Clegg sandte er diese Woche nach Brüssel, um erneut für das britische Lösungsmodell zu werben: London will, dass die Europäische Zentralbank eine stärkere Rolle übernimmt und als „Kreditgeber letzter Instanz“ fungiert, sprich weitere Staatsanleihen der Euro-Krisenländer aufkauft. Bislang blitzte London mit dieser Idee vor allem bei den Deutschen ab.

Für Cameron geht es auch darum zu verhindern, dass Großbritannien bei den Krisengesprächen um die Zukunft der Eurozone und der EU weiter marginalisiert wird. Schon beim letzten EU-Gipfel soll der Premier geschäumt haben, weil er nicht beim Abendessen der Euro-Regierungschefs dabei sein durfte. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hatte ihm zuvor erklärt, wenn die Briten mitreden wollten, hätten sie eben der Eurozone beitreten müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2011)

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