Kennzeichen-Kürzel: Taferlstreit im Ausseerland

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Seit zwei Jahrzehnten hat das steirische Salzkammergut rund um Bad Aussee ein eigenes Kennzeichen-Kürzel. Gegen das Ende von "BA" formiert sich jetzt massiver Widerstand in der Region.

Diese Vorgangsweise werden wir Bürgermeister uns sicher nicht gefallen lassen!“ Eine parteiübergreifende Front von sechs Ortschefs hat sich im steirischen Ausseerland gegen die Pläne der Landesregierung formiert, der Region ihr Autokennzeichenkürzel wegzunehmen. Das seit 1990 geltende „BA“ (für Bad Aussee) soll ab kommendem Jahr im Zuge der Verwaltungsreform durch ein „LI“ (für Liezen) ersetzt werden. Mit dieser Entscheidung hat sich SPÖ-Landeshauptmann Franz Voves im Handumdrehen zum Buhmann einer gesamten Region gemacht. Mehr hat es in der mit üppigem Selbstbewusstsein ausgestatteten Berg-und-Seen-Idylle nämlich nicht gebraucht.

An Stammtischen, in Leserbriefen, bei Gemeinderatsdiskussionen und im Internet lässt die Bevölkerung ihrem Unmut seither freien Lauf. Auch vor prominenten Zweitwohnsitzbesitzern machen Wut und Widerstand keinen Halt. So schimpft der Industrielle Hannes Androsch (Zweitwohnsitz Altaussee) über „bürokratischen Starrsinn“; der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Peter Koren (Zweitwohnsitz Bad Mitterndorf), hat gar eine eigene Facebook-Initiative gestartet. Immerhin 1685 „Freunde“ hat die Seite „BA muss bleiben“ bis jetzt.

Es ist ein bizarrer Kampf um zwei Buchstaben. Bürokratische Grundlage ist der Umstand, dass Liezen als größter Bezirk Österreichs (größer als das Land Vorarlberg) bislang neben der Bezirkshauptmannschaft in Liezen zwei politische Exposituren besitzt: Gröbming und Bad Aussee. Dank ihres Status als Zulassungsbehörde bekamen beide vor zwei Jahrzehnten auch eigene Kennzeichenkürzel zuerkannt. Nachdem die Expositur in Bad Aussee mit Jahresbeginn 2012 geschlossen wird, soll jetzt auch mit „BA“ Schluss sein. Aber die Initialen sind mittlerweile zu einem Identifikationsmerkmal geworden: „BA“ – das eint sogar lokales Konkurrenzdenken unter den Orten zu einem gemeinsamen Lokalchauvinismus zwischen Grundl- und Altausseer-See. „BA“ – das spült in die mit Traditionsbewusstsein überprägten Dorfstrukturen den sanften Hauch moderner Internationalität. Weil der Dirndl- und Lederhosenfetischist von Welt nützt die lautmalerische Ähnlichkeit zum kalifornischen „L.A.“ und spricht von „Bi-Äj“, wenn er Bad Aussee meint. Und dafür kämpft.

„Mir san mir und mir san klass“, ortet die aus Bad Aussee stammende Publizistin Elisabeth Welzig eine unreflektierte Hybris: „Man ist stolz auf etwas, wobei man aber nicht genau weiß, worauf eigentlich.“ Eine Erklärungsvariante hat tiefe historische Wurzeln: Bis ins 15. Jahrhundert war das Salzkammergut direktes Eigentum des Kaisers. Durch einen Streit bezüglich des Salzabbaus fiel das Ausseerland an die Steiermark. Zwischen 1938 und 1948 war man Teil der Verwaltungseinheit Oberdonau, gehörte also zum heutigen Oberösterreich. Mit der populistischen Drohung, wieder die Bundeslandzugehörigkeit zu wechseln, spielen die Ausseer seither immer wieder, wenn ihnen die Landespolitik in Graz nicht passt. Und das tut sie regelmäßig.

Vor dem Kennzeichenstreit war es ein Tauziehen rund um ein neues Krankenhaus und seine chirurgische Abteilung. Die Ausseer setzten sich durch. Am Stadtrand entsteht gerade ein Neubau. „Das ist eine unabhängige Republik“, umschreibt VP-Vizelandeshauptmann Hermann Schützenhöfer augenzwinkernd die erfolgsverwöhnte Streitlust der Ausseer. Derzeit bekommt sie Landeshauptmann Voves wegen der Kennzeichen zu spüren. „Wer so über die Bürgermeister und eine Region drüberfährt, wird noch viel Spaß haben“, schürt Aussees Bürgermeister Otto Marl (SP) in einem offenen Brief den lokalen Unmut gegenüber den Zentralstellen in Graz.

Ganz ungelegen kommt dem Bürgermeister die gallierhafte Protestbegeisterung nicht. Sie lenkt großzügig von anderen kommunalpolitischen Konfliktfeldern ab. So tobt seit Mitte der 1990er-Jahre ein leidenschaftlicher Streit rund um ein vorgesehenes Parkhaus am Rande des Ortszentrums. Der Plan: Auf einer derzeit als Parkplatz verwendeten Freifläche direkt an der Traun soll deren Flussbett auf knapp 100 Metern überdacht (!) und ein Parkhaus samt Einkaufszentrum entstehen. Mit acht Millionen Euro will ein Tiroler Investor dieses Projekt realisieren. Die Gegner laufen Sturm. Man brauche weder zusätzliche Parkplätze noch ein Shoppingcenter, wettert Grüne-Gemeinderat Gottfried Hochstetter. Den Grünen und der FPÖ ist auch der Verkauf des alten Expositurgebäudes noch immer ein Dorn im Auge. Der Bau wurde vor der für sie zu günstigen Veräußerung an die Grazer Immobiliengesellschaft Wegraz im Auftrag der Landesimmobiliengesellschaft LIG noch großzügig saniert. Der LIG-Geschäftsführer wechselte später zur Wegraz, die auch andernorts in und rund um Bad Aussee mit ehrgeizigen Bauprojekten hochaktiv ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2011)

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