Ungarn schließt Tür zum Verfassungsgericht

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Die regierende Fidesz-Partei hat Montagabend eine gesetzliche Barriere zwischen Bürger und Verfassungsrichter geschoben. Welche Gesetze überprüft werden dürfen, entscheidet in Hinkunft die ungarische Regierung.

Budapest/Apa/La. Bisher ist es in Ungarn möglich gewesen, sich als Privatperson an das oberste Gericht zu wenden, um neue Gesetze auf ihre Verfassungskonformität überprüfen zu lassen. Diese Möglichkeit fällt mit Jahresende weg: Die regierende Fidesz-Partei, die im Parlament in Budapest mit einer komfortablen Zweidrittelmehrheit ausgestattet ist, hat Montagabend eine gesetzliche Barriere zwischen Bürger und Verfassungsrichter geschoben.
Gemäß der Reform, die am 1. Jänner 2012 in Kraft tritt, darf künftig nur noch die Regierung, eine Gruppe von vier Fünfteln der Parlamentsabgeordneten oder der Ombudsmann für Grundrechte die Überprüfung von Gesetzen durch das Verfassungsgericht verlangen. Die Novelle ist als Eckgesetz konzipiert – und darf damit nur mit einer Zweidrittelmehrheit geändert werden.

Alle Verfahren eingestellt

Alle derzeit schwebenden Verfassungsklagen, die von keinem dieser drei Antragsteller eingereicht wurden, werden vom 1. Jänner an automatisch eingestellt. Ausgenommen sind dabei Verfahren, bei denen es um Themen geht, die auch nach der neuen, ebenfalls zu Jahresbeginn in Kraft tretenden Verfassung überprüfbar sind. Normalbürger können sich nur noch an das Verfassungsgericht wenden, um Gerichtsurteile überprüfen zu lassen, die sie selbst betreffen.
Begleitet von internationalen Protesten wurde die neue ungarische Verfassung im April verabschiedet. Unter anderem entzieht sie dem Verfassungsgericht die Kompetenz über budgetrelevante Gesetze, solange die Staatsverschuldung nicht unter 50 Prozent des BIPs gesunken ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2011)

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