Miljenko Jergović, seit 1993 in Zagreb wohnhaft, reist in seinen Büchern in die Vergangenheit. Drei seiner Bücher wurden auf dem Cover mit alten Automobilen illustriert .
Er ist der derzeit vielleicht erfolgreichste Zagreber Autor – dabei stammt er selbst gar nicht aus dieser Stadt. Die Rede ist von Miljenko Jergović, dem Mann mit dem dunkelbraunen Wuschelhaar und dem diabolisch-verschmitzten Blick. Geboren wurde der Schriftsteller kroatischer Herkunft im bosnischen Sarajewo. Jergović selbst hat die Jugoslawienkriege in Sarajewo miterlebt, von wo er auch als Reporter berichtet hat. Im Jahre 1993 ist er nach Zagreb übersiedelt, hier erscheinen auch seine Bücher.
Die Belagerung seiner Geburtsstadt verarbeitete Jergović in dem Erzählband „Sarajevo Marlboro“, mit dem er auch international bekannt wurde. „Sarajevo Marlboro“ versammelt Geschichten vom Krieg und vom Alltag in einer belagerten Stadt. Auch in seinen anderen Romanen, die im deutschen Verlag Schöffling verlegt wurden, betätigt sich Jergović als literarischer Vergangenheitsbewältiger.
Nur Auto fahren geht nicht
Drei seiner Bücher wurden auf dem Cover mit alten Automobilen illustriert – nicht nur ein ästhetisches Element. Es sind Jergovićs balkanische Road-Romane. In „Freelander“ schickt er den pensionierten Gymnasiallehrer Karlo Adums auf eine Reise von Zagreb nach Sarajewo. In „Buick Rivera“ trifft ein bosnischer Auswanderer in den USA bei einer Autofahrt auf einen serbischen Landsmann. Auch sein neues Buch „Wolga, Wolga“ ist ein balkanischer RoadRoman. Der Wolga galt im Kommunismus als die Luxuskarosse der Politfunktionäre. In Jergovićs Roman ist es das schwarz glänzende Auto, mit dem Dzelal Pljevljak im Jugoslawien der 70er-Jahre von Split aus ins benachbarte Bosnien-Herzegowina fährt, um in der Moschee sein Gebet zu verrichten. Doch ein folgenschwerer Autounfall verändert sein Leben.
Das Reisen in die Vergangenheit, Flucht, aber auch das Eingeholtwerden von der Geschichte sind wiederkehrende Topoi in den Büchern des Schriftstellers. Einfach nur Auto fahren ist Jergovićs Helden verwehrt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2011)