ORF will mehr Gebühren, nicht mehr Werbung

(c) FABRY Clemens
  • Drucken

Um sieben Prozent sollen die ORF-Gebühren im Juni 2012 angehoben werden. Das ist weniger, als die Inflation ausmacht. Daher muss u.a. das TV-Programm mit weniger Geld auskommen.

Um sein wichtigstes Anliegen in Politik und Öffentlichkeit durchzubringen, ist ORF-General Alexander Wrabetz bei seinen zuletzt recht forschen Forderungen ein großes Stück zurückgerudert: Von der bis vor Kurzem geforderten Ausweitung der Werbezeiten ist keine Rede mehr. Auch die dauerhafte Refundierung der durch Gebührenbefreiung entgangenen Einnahmen scheint Wrabetz nicht mehr so wichtig. Und die umstrittene Klausel, die die Senkung der Pro-Kopf-Kosten im ORF vorschreibt, muss auch nicht mehr sofort aus dem Gesetz gekippt werden. Dafür will Wrabetz um sieben Prozent mehr ORF-Gebühren ab Juni 2012. Dann würde jeder Haushalt nicht mehr wie bisher 15,10 Euro im Monat an den ORF zahlen, sondern 16,16 Euro (die darüber hinausgehenden Beträge fließen an Bund bzw. Länder). Davon wiederum blieben dem Unternehmen netto 15,45 Euro, was sich übers Jahr auf etwa 36 Mio. Mehreinnahmen summieren würde.

Das wünscht sich das ORF-Management – und so ist es auch im Finanzplan 2012 budgetiert, der den Stiftungsräten übermittelt wurde. Sie müssen dem Plan noch zustimmen, die Rundfunkbehörde KommAustria muss die Gebührenerhöhung absegnen. Mit gröberem Widerstand ist allerdings nicht zu rechnen: Zwar haben BZÖ und FPÖ wissen lassen, dass sie eine Gebührenerhöhung ablehnen – aber zwischen SPÖ und ÖVP scheint die Sache ausgemacht. Niko Pelinka, Leiter des SPÖ-„Freundeskreises“ im Stiftungsrat, hält „die Zahlen auf den ersten Blick für plausibel“. Sein Visavis von der ÖVP, Franz Medwenitsch, scheint ebenfalls nicht abgeneigt: „Sieben Prozent auf fünf Jahre, das ist unter der Inflationsrate, maßvoll und vertretbar. Aber nur, wenn das Publikum die Gebührenerhöhung auch im Programm spürt. Etwa durch mehr Service und Information im Frühprogramm, durch einen Ausbau der Regionalisierung mit mehr Programm aus den Landesstudios oder durch eine Europäisierung mit einem Best-of-Programm des ORF, das unverschlüsselt nach Europa ausstrahlt wird.“

Vorerst kein Frühstücksfernsehen

Mit der Forderung nach mehr Programm dürfte es die künftige TV-Direktorin, Kathrin Zechner, schwer haben. Sie war in den Entstehungsprozess des Finanzplans eingebunden und weiß, dass sie mit sieben Millionen Euro weniger im Jahr auskommen muss: 340 Millionen Euro stehen 2012 insgesamt für das TV-Programm zur Verfügung (die Spartensender haben ein Extrabudget). Fix finanziert sind laut dem kaufmännischen ORF-Direktor, Richard Grasl, neue Staffeln von „Dancing Stars“ (im Frühjahr) und „Die große Chance“ (im Herbst) sowie „mehr als 95 Millionen Euro“ für den österreichischen Film und 20 Millionen Euro Sonderbudget für wichtige Sport-Events (Olympische Spiele in London, Fußball-EM in Polen und der Ukraine, Ski-Weltcup in Schladming). Vorerst nicht geplant ist Frühstücks-TV, auch sonst sind keine Schema-Änderungen vorgesehen. Zechner wolle nach ihrem Amtsantritt zum Jahreswechsel erst die Formate evaluieren, bevor sie Änderungen vornehme, so Grasl. Und: „Frühstücks-TV kann nur über Umschichtungen finanziert werden.“

Insgesamt rechnet er 2012 mit einem Umsatz von 925 Millionen Euro – um 8,5 Millionen mehr als 2011. 596 Mio. Euro werden über Gebühren und Gebührenrefundierung eingenommen (plus zwölf Mio.), 218 Mio. mittels Werbung (plus drei Mio.). Der Sachaufwand wird in etwa gleich bleiben, die Personalkosten werden – trotz des weiter laufenden Sparprogramms – um sieben Millionen Euro steigen. Die ORF-Mutter wird laut Plan 2012 mit 0,4 Mio. Euro leicht positiv bilanzieren, der Gesamtkonzern wird ein Plus von 3,5 Mio. Euro erwirtschaften.

Am 15.Dezember könnte Rechtsanwalt Alexander Scheer über die Gebührenfrage mit entscheiden: Der 39-jährige Publikumsrat wechselt in den Stiftungsrat und übernimmt dort den BZÖ-Sitz von Huberta Gheneff-Fürst. „Ich fühle mich politisch unabhängig“, sagt Scheer zur „Presse“. „Das war meine Bedingung. Ich sehe das als freies Mandat.“

BZÖ-Rat Scheer will ORF privatisieren

Scheer fordert die „Entpolitisierung“ und letzten Endes auch eine „Privatisierung“ des ORF. Aber man solle den ORF „nicht an Banken oder ähnliches verkaufen“: Letztlich solle in einem privatisierten ORF „keine politische Eigentümerschaft“ das Sagen haben. Derzeit funktioniere der öffentlich-rechtliche Rundfunk nach dem Motto: „Wer regiert, der schafft an“, beklagt er. Entpolitisierung müsse man auch im Programm spüren: „Auch das Publikum muss überzeugt sind, dass der ORF objektiv ist.“

Scheer ist wie das BZÖ „massiv gegen eine Gebührenerhöhung“: Der ORF müsse erst alle Möglichkeiten ausnützen, um sparsam zu wirtschaften und alle Ressourcen optimal zu nützen. „Der ORF erhält genug Mittel“, findet er.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

ORFGebuehren Erhoehung sieben Prozent
Medien

ORF-Gebühren: Erhöhung um sieben Prozent geplant

SPÖ und ÖVP haben Alexander Wrabetz grünes Licht für die Valorisierung gegeben. Die Erhöhung soll ab Jahresmitte 2012 wirksam werden.
Privatsender kritisieren Erhoehung ORFGebuehren
Medien

Privatsender kritisieren Erhöhung der ORF-Gebühren

Der Verband der Privatsender beklagt die Wettbewerbsverzerrung. Dem ORF stünden "drei Mal so viel Finanzmittel" zur Verfügung wie allen Privatsendern zusammen.
Hoehere GISGebuehren Vorsichtiges oeVP
Medien

Höhere GIS-Gebühren: Vorsichtiges "Ja" von ÖVP

ÖVP-Klubchef Kopf kann einer "maßvollen Erhöhung" durchaus etwas abgewinnen. Vor einer Haushaltsabgabe wollen auch die Privatsender profitieren.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.