Kampf um verlorenes Vertrauen

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Kroatien erzittert in seinen Grundfesten: Der frühere Premier steht wegen Bereicherung im Amt vor Gericht, gegen die amtierende Regierungspartei laufen Ermittlungen wegen des Verdachts der Geldwäsche.

Belgrad/Zagreb. An den Anblick des einst so mächtigen Mannes auf der Anklagebank hat sich nicht nur Kroatiens Öffentlichkeit noch zu gewöhnen. Auch Ex-Premier Ivo Sanader scheint seine neue Angeklagtenrolle noch nicht so richtig vertraut. „Sie sind nicht hier, um Fragen zu stellen, sondern, um zu antworten“, fuhr Richter Ivan Turudić dem 58-Jährigen am letzten Verhandlungstag unsanft in die Parade. Zumindest beim Prozessauftakt durfte der von den Schalthebeln der Macht auf die harte Gefängnispritsche gefallene Exchef der konservativen HDZ zu Monatsbeginn seine Unschuld beteuern: „Empört und angewidert weise ich die Anklage zurück. Ich bin kein Kriegsgewinnler.“

Gleich in zwei Korruptionsfällen steht der abgemagerte Liebhaber kostspieliger Armbanduhren und Maßanzüge derzeit in Zagreb vor Gericht. Anfang der 1990er soll Sanader von der Kärntner Hypo Alpe Adria Bank für die Vermittlung eines Kredits an das kroatische Außenministerium eine Provision von umgerechnet einer halben Million Euro eingestrichen haben. Noch kräftiger langte er nach den Erkenntnissen der Anklage bei der Übernahme des heimischen Mineralölkonzerns INA durch die ungarische MOL zu: Das Geschäft sei dank zehn Mio. Euro Schmiergeld über die Bühne gegangen.

Noch hat das Gericht nicht entschieden, ob den Medien zugespielte Videoaufnahmen über ein Geheimtreffen von Sanader und Mol-Chef Zsolt Hernadi im Hinterzimmer einer kroatischen Autobahnschenke als Beweismittel zugelassen werden. Doch im Wahlkampf ist das spektakuläre Verfahren nicht nur für Kroatiens skandalerprobte Politikerkaste ein Warnsignal. Die Zeit des ungestraften Räuberns ist vorbei – und der gern auf Wahlkampffahnen geschriebene Kampf gegen Korruption keine Worthülse mehr.

Schwarze Parteikassen

Wichtig sei das Verfahren auch für die Wiederherstellung des angeschlagenen Vertrauens in die Justiz, so Zorislav Petrović, Leiter der Antikorruptionsorganisation Transparency International in Kroatien, jüngst im ORF. Denn für den erfolgreichen Kampf gegen die Korruption sei es wichtig, dass die Bürger wieder Vertrauen in die staatlichen Institutionen fassten.

Der Kampf von Kroatiens Justiz gegen die Korruption lässt den EU-Anwärter in seinen Grundfesten erzittern. Ex-Premier Sanader sitzt im Knast, gegen die amtierende Regierungspartei HDZ laufen Ermittlungen wegen Geldwäsche: Systematisch sollen HDZ-Größen um Sanader jahrelang Staatsgelder in schwarze Parteikassen und Privatschatullen abgezweigt haben. Ihre Partei sei die einzige, die den Kampf gegen die Korruption ernsthaft in Angriff genommen habe, jammert HDZ- und Regierungschefin Jadranka Kosor: „Und dies scheint sich nun wie ein Bumerang gegen uns zu wenden.“

Tatsächlich gilt ein Debakel der in unzählige Korruptionsskandale verstrickten HDZ bei der Wahl im Dezember als ausgemacht (siehe unten). Doch ein schlechtes Zeichen ist die Enthüllung der endlosen Korruptionsskandale im vermeintlichen Augiasstall Kroatien keineswegs. Im Gegensatz zu anderen Staaten der Region wird in Kroatien nicht zuletzt auf Druck Brüssels mit dem Kampf gegen das System der offenen Hände endlich ernst gemacht. Denn die Geißel der Korruption hält nicht nur die Politik, sondern auch Alltag und Wirtschaft noch stets im Griff.

Ob bei Bau- und Betriebsgenehmigungen oder der Vergabe von öffentlichen Aufträgen – vor allem auf lokaler Ebene sind Provinzfürsten und Unternehmer sehr mit gegenseitigem Händewaschen beschäftigt.

Die formale Erfüllung der EU-Beitrittskriterien bedeute längst nicht, dass das Land bereits EU-reif sei, sagt Roman Rauch. Österreichs Handelsdelegierter in Kroatien sieht vor allem bei der Umsetzung der Gesetze noch Nachholbedarf. Zur Überwachung der „Nachhaltigkeit“ der Zagreber EU-Vorbereitungen hält er einen sorgfältigen Monitoring-Prozess für „absolut richtig“. Bisweilen prägten noch „alte Strukturen“ die Realität in der Provinz: „Ausländischen Investoren werden dort oft noch Knüppel zwischen die Beine geworfen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2011)

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