Comeback der Linken steht bevor

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Die regierende HDZ ist diskreditiert. Am 4. Dezember dürften viele kroatische Wähler dem linken Vierparteienbündnis ihre Stimmen geben. Als Wahlsieger werde man Steuern senken, verspricht SPD-Chef Zoran Milanović.

Zagreb/Ag./La. Für Titelverteidigerin Jadranka Kosor steht der aktuelle Wahlkampf unter keinem guten Stern: Die kroatische Regierungschefin musste Ende Oktober zugeben, dass ihre konservative Regierungspartei HDZ (wieder einmal) Ziel von Korruptionsermittlungen ist. Es geht ausgerechnet um Vorwürfe der illegalen Wahlkampffinanzierung – allerdings im Zusammenhang mit vergangenen Wahlen und nicht mit dem bevorstehenden Votum am 4. Dezember. Das ist aber ein schwacher Trost, denn so gut wie alle Umfragen sagen der HDZ eine vernichtende Niederlage und dem linken Oppositionsbündnis einen Erdrutschsieg voraus. Die Demoskopen von GfK erwarten, dass die linken Parteien bis zu 90 von insgesamt 152 Mandaten im Sabor, dem Unterhaus des kroatischen Parlaments, gewinnen könnten.

Affären und Arbeitslose

Dass Kosor und ihre Partei eine derartig schlechte Figur machen, hat zwei Hauptursachen: zum einen jene zahlreichen Finanz- und Korruptionsaffären, in die (ehemalige) HDZ-Mitglieder verwickelt sind – man nehme etwa den tiefen Fall des einstigen Premiers Ivo Sanader (siehe oben). Und zum anderen die momentan eher triste Lage der Wirtschaft, die sich unter anderem in einer Arbeitslosenquote von zwölf Prozent manifestiert (nach kroatischer Berechnungsart beträgt die Arbeitslosigkeit sogar 18 Prozent).

Wer sind also die voraussichtlichen Wahlsieger, und was haben sie mit Kroatien vor? Die erste Frage lässt sich leichter beantworten als die zweite. Die von den Medien „Kukuriku-Koalition“ getaufte Gruppe besteht aus den Sozialdemokraten (SDP), den Liberalen (HNS), den Istrischen Demokraten (IDS) und der Pensionistenpartei (HSU). Der Wunsch nach Demontage der regierenden HDZ mag vor dem Wahltag als Kitt ausreichen, ob die vier Parteien aber am Tag danach inhaltlich auf einen grünen Zweig kommen können, steht in den Sternen.

Zunächst einmal haben sich die Kukurikus auf einige wohlklingende Versprechen einigen können, die niemandem wehtun: Als Wahlsieger werde man Steuern senken, ausländische Investoren ins Land locken und Kroatien insgesamt wettbewerbsfähiger machen, verspricht SPD-Chef Zoran Milanović. Und sollte das Geld nicht ausreichen, werde man sich an den Internationalen Währungsfonds, IWF, wenden. Der könne nämlich Kredite zu einem günstigeren Zinssatz bereitstellen, als dies momentan an den Finanzmärkten der Fall sei.

„Unrealistische Erwartungen“

Das Problem ist nur, dass neue Schulden das genaue Gegenteil davon sind, was Kroatien momentan braucht – auch wenn sie besonders günstig sein mögen. Notenbank-Gouverneur Željko Rohatinski rechnet vor, dass das Budgetdefizit heuer die Marke von sechs Prozent des BIPs überschreiten werde. „Wir können diese Krise nicht ohne große Reformen bewältigen“, so Rohatinski, „unrealistische Erwartungen“ an die Schubkraft des bevorstehenden EU-Beitritts seien fehl am Platz.

Für den Notenbank-Chef ist klar, dass der Staat den Gürtel enger schnallen muss. Das Pensionssystem ist ein logisches Betätigungsfeld für Reformer, aber zugleich ein politisches Minenfeld: In Kroatien kommen derzeit auf 1,4 Millionen Berufstätige 1,1 Million Rentner und Pensionisten – ein auf Dauer untragbarer Zustand. Die neue Regierung – wie auch immer sie aussehen wird – braucht also vor allem eines: viel Mut.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2011)

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