Die wundersame Wiederauferstehung der „Bilić-Boys“

(c) EPA (TOLGA BOZOGLU)
  • Drucken

Vom Buhmann erneut zum Wundermann: Kroatiens Erfolgstrainer Slaven Bilić haucht den „Feurigen“ neues Feuer ein. Der Teamchef war in den 1990ern einer der Stars der „goldenen Generation“.

Belgrad/Zagreb. Im heimischen Hexenkessel ließen die „Feurigen“ nichts mehr anbrennen: Ungefährdet schaukelten die Schützlinge von Kroatiens Nationalcoach Slaven Bilić in Zagreb mit einer torlosen Nullnummer gegen die Türken den 3:0-Vorsprung aus dem Hinspiel über die Bühne. „Wir haben an ihnen gezweifelt, aber Bilić und seine Jungs haben unseren Fußball gerettet“, titelte erleichtert die Zeitung „Večernji list“. Als „Könige des Balkans“ feiert das Konkurrenzblatt „Jutarnji List“ nach der dritten EM-Qualifikation in Folge die wieder auferstandene Nationalelf: „Es gibt in der Region keine erfolgreichere Nationalelf.“

Tatsächlich hat das erst 1993 in die Uefa und Fifa aufgenommene Kroatien bis auf die EM 2000 und die letzte WM in Südafrika immer den Sprung zu den Großturnieren geschafft – und stellt damit das mit Abstand erfolgreichste Nationalteam der Staaten Exjugoslawiens.

Nach Kroatiens goldener Generation der 1990er-Jahre, die mit legendären Spielern wie Davor Šuker, Robert Prosinečki, Robert Jarni und Slaven Bilić bei der WM 1998 selbst auf den dritten Platz stürmten, war die Nationalelf in eine jahrelange Krise gerutscht. Es war schließlich Jungcoach Bilić, der einen neuen Höhenflug einleitete.

Nach der für Kroatien eher enttäuschenden WM 2006 hatte der einstige Kicker des KSC und FC Everton die Nationalmannschaft übernommen. Mit einer radikalen Verjüngung des Teams durch seine früheren U21-Schützlinge wie Luka Modrić hauchte der studierte Jurist den „Feurigen“ neues Feuer und Leben ein. In der Qualifikation zur EM 2008 ließ Kroatien nicht nur Russland, sondern auch das favorisierte England hinter sich: Gegen die angriffslustigen „Bilić-Boys“ kassierte das Mutterland des Fußballs die erste Heimniederlage im neuen Wembley-Stadion.

Doch nach dem Scheitern in der WM-Qualifikation und den zunächst eher bescheidenen Auftritten in der EM-Qualifikation mutierte der gefeierte Trainer zum Sündenbock. Nach der trostlosen 0:2-Schlappe in Griechenland im Oktober überschlugen sich Kroatiens Medien, Altkicker und Verbandsfunktionäre mit Forderungen nach der sofortigen Ablösung des 43-Jährigen. „Kroatien hängt am Beatmungsgerät und braucht dringend einen neuen Teamchef“, titelte noch vor Monatsfrist aufgeregt die „Jutarnji List“.

Doch der hart kritisierte Bilić behielt trotz des Trommelfeuers der Medien die Nerven – und sein Amt. Letztendlich hielten den Hobbyrocker nicht nur seine früheren Erfolge, sondern auch das gute Verhältnis zu seinen Spielern im Sattel. „Wir haben den besten Trainer der Welt – und wir sollten ihn hegen wie einen Tropfen Wasser auf der Hand“, preist Kapitän Darijo Srna seinen Teamchef nach den erfolgreichen Play-off-Spielen gegen die Türken: „Es wurde behauptet, dass wir keinen Trainer und keine Mannschaft haben – wir haben das Gegenteil bewiesen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Außenpolitik

„Wird uns die Unabhängigkeit wieder genommen?“

Der Beitrittstermin rückt näher – doch die Stimmung in Dalmatien ist im Gegensatz zum Norden Kroatiens gedrückt. Fischer fürchten um ihre Existenz.
Außenpolitik

Über den Krieg und das Massaker spricht man nicht

20 Jahre nach Vukovar: Serben und Kroaten leben in der 1991 schwer umkämpften Stadt heute bestenfalls nebeneinander. Neue Fassaden können die gedrückte Stimmung kaum verbergen.
Außenpolitik

Abschied vom Mythos des sauberen Vaterlandskriegs

Einzugestehen, dass auch die eigene Seite Kriegsverbrechen begangen hat, fällt Kroatiens Öffentlichkeit noch immer schwer. Statt auf gemeinsame Aufarbeitung der Vergangenheit setzt Zagreb eher auf einseitige Schritte.
International

Imagewechsel: Vom Hobbymatrosen zum besseren Handelspartner

Vor dem EU-Beitritt Kroatiens werden auch die wirtschaftlichen Verbindungen mit Österreich verbessert. Das ist dringend notwendig: Kroatien ist exportschwach und für Investoren schwierig zu erschließen.
Außenpolitik

Comeback der Linken steht bevor

Die regierende HDZ ist diskreditiert. Am 4. Dezember dürften viele kroatische Wähler dem linken Vierparteienbündnis ihre Stimmen geben. Als Wahlsieger werde man Steuern senken, verspricht SPD-Chef Zoran Milanović.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.