Italiens technokratischer Premier muss zum begnadeten Populisten werden.
Eigentlich muss man Mario Monti bemitleiden: Da lässt sich der gute Mann breitschlagen und übernimmt in Italien das Ruder – und just an dem Tag, an dem er sein Regierungsprogramm im Parlament präsentiert, kündigt sein geschasster Vorgänger Silvio Berlusconi, auf dessen Unterstützung der ehemalige EU-Kommissar eigentlich angewiesen ist, die Gründung einer eigenen „Schattenregierung“ an. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.
De facto hat der Technokrat nur eine Chance auf Erfolg: Will Monti Reformen durchbringen, muss er sich ein Vorbild an Ronald Reagan nehmen. Der US-Präsident sah sich während seiner gesamten Amtszeit mit einem demokratisch dominierten Repräsentantenhaus konfrontiert. Politische Schlagkraft verlieh Reagan nicht das Parlament, sondern seine Popularität bei der Bevölkerung, dank der er die Demokraten in die Defensive drängen konnte.
Auch Monti genießt hohes Ansehen beim Wahlvolk. Das wird er brauchen, um sich gegen renitente Parlamentarier durchzusetzen. Es gibt allerdings ein Problem: Jene Attribute, die Monti an die Macht gebracht haben – Seriosität, Fachwissen, Besonnenheit –, sind das Gegenteil davon, was er nun benötigt. Jetzt muss Monti agieren wie der geborene Populist und nicht wie ein wandelndes Regelwerk. Italiens Schicksal hängt davon ab, ob ihm dieser Wandel gelingt.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2011)