Ungarn kämpft wieder gegen die Staatspleite

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Die Budapester Regierung nimmt Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds auf. Standard & Poor's droht, die Kreditwürdigkeit Ungarns wegen der „unberechenbaren Schritte der Politik“ erneut zu senken.

Wien. Griechenland und Italien sind zwar in aller Munde, doch auch in Ungarn spitzt sich die Situation zu. Am Donnerstag platzierte Österreichs Nachbarland mehrere Anleihen und musste dafür hohe Zinsen zahlen. Die Renditen für zehnjährige Staatspapiere kletterten auf 8,5 Prozent. Als gefährlich gilt bereits ein Niveau von sieben Prozent – hier mussten Griechenland, Irland und Portugal bei der EU um Hilfe ansuchen.

Die Agentur Standard & Poor's droht, die Kreditwürdigkeit Ungarns wegen der „unberechenbaren Schritte der Politik“ erneut zu senken. Die großen Ratingagenturen Moody's, Standard & Poor's und Fitch bewerten Budapester Anleihen aktuell nur noch mit einer Stufe über dem gefürchteten Ramschniveau. Ungarn ist das am höchsten verschuldete Land in Osteuropa. Die Regierung hat die zugesagten Reformen nicht vollständig eingehalten. Im dritten Quartal 2011 kletterte die Staatsverschuldung von 75 auf 82 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Schuld daran ist unter anderem der massive Wertverlust der Landeswährung Forint.

Schon im Herbst 2008 stand Ungarn vor dem Abgrund. Nur mit Milliardenhilfen des Internationalen Währungsfonds und der EU konnte damals der Bankrott abgewendet werden. Im Vorjahr zog sich der IWF zurück, weil die Sparauflagen nicht eingehalten wurden. Premierminister Viktor Orbán erklärte, sein Land werde sich nicht mehr dem Diktat des Währungsfonds unterziehen. Seit Donnerstag ist aber alles anders: Das Wirtschaftsministerium verkündete, Verhandlungen über eine „neue Art der Zusammenarbeit“ mit dem IWF zu führen. Dabei solle die Unabhängigkeit des Landes gewahrt bleiben. „IWF-Hilfen sind notwendig“, sagt Raiffeisen-Analyst Wolfgang Ernst. Alternativen Maßnahmen wie Zinserhöhungen oder Interventionen mit Devisenreserven würden nicht im gewünschten Ausmaß helfen. Im nächsten Jahr muss Ungarn Anleihen im Volumen von 3,5 Mrd. Euro refinanzieren.

Auch China soll einspringen. Der Minister für Nationale Entwicklung, Tamas Fellegi, flog jüngst nach Peking. Nach der Rückkehr erklärte er, China habe versprochen, ungarische Staatsanleihen zu kaufen. Über das Volumen wurde nichts bekannt.

Verluste für Österreichs Banken

Österreichs Banken verfolgen die Vorgänge bei den Nachbarn mit Argusaugen. Die Citigroup veröffentlichte am Donnerstag eine Analyse, wonach allein der Erste Bank wegen Ungarn ein Verlust von bis zu einer Mrd. Euro drohen könnte. Dies wäre dann der Fall, wenn die Regierung alle Fremdwährungskredite auf Kosten der Banken zwangsweise in Forint umwechseln lässt. Derzeit gilt eine andere Regelung: Ende September verabschiedete das Budapester Parlament ein Gesetz, wonach alle Bankkunden ihre Franken-Kredite bis Jahresende zu einem um 25 Prozent günstigeren Kurs konvertieren können. Die Kosten dafür müssen die Finanzkonzerne tragen. Orbán ging davon aus, dass bis zu 300.000 Ungarn das Angebot annehmen. Bislang sind es aber nur 33.000.

Der Grund für die schwache Resonanz: Die Kunden müssen das gesamte Darlehen auf einmal tilgen. Daher sind sie gezwungen, einen neuen Kredit – diesmal in Forint – aufzunehmen. Doch dabei sollen manche Banken Schwierigkeiten machen. Außerdem wirft Orbáns Partei Fidesz den Instituten vor, sie würden Absprachen über die Anhebung der Gebühren für Forint-Kredite treffen, um so die Verluste aus der Franken-Konvertierung zu kompensieren. Fidesz fordert die Wettbewerbsaufsicht zum Einschreiten auf.

Österreichs Banken steigen schon gegen die jetzige Lösung auf die Barrikaden und haben die EU eingeschaltet. „Wir haben aber keine Hinweise, dass eine Zwangskonvertierung aller Kredite bevorsteht“, heißt es bei der Bank Austria. Auch die Erste Bank weist die Analyse der Citigroup zurück: „Das sind Zahlenspielereien“, so Banksprecher Michael Mauritz. In keinem Land gibt es so viele Fremdwährungskredite wie in Ungarn. Zwei Drittel aller Immobiliendarlehen wurden in Franken aufgenommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2011)

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