Ratingagenturen in der Kritik: Wie sie es machen, sie machen es falsch

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Seit Ausbruch der Finanzkrise stehen Standard & Poor's, Moody's und Fitch unter politischem Dauerbeschuss.Tatsächlich haben sich die „großen drei“ damals mit ihrer Einschätzung der Lage gehörig vertan.

Wien. Vor der Wirtschaftskrise hatten wohl die wenigsten eine Ahnung, was eine Ratingagentur macht. Heute ist gemeinhin bekannt, was ein Triple A ist – und was es bedeutet, wenn man es verliert: Dann steigen die Aufschläge auf Staatsanleihen. Schuldenmachen wird teurer, und man verliert seinen Platz im exklusiven Klub der allerbesten Schuldner. Schon heute zählt er weltweit nur 16 Mitglieder, in der Eurozone dürfen sich sechs Staaten mit der Topbonitätsnote schmücken.

Wie lange noch, ist fraglich. Denn während sich Deutschland, Luxemburg, Holland und Finnland ihres Triple A noch sicher sein dürfen, steht jenes von Frankreich schon auf wackeligen Beinen – und auch Österreich wird derzeit etwas genauer unter die Lupe genommen. Fest steht: Sollten es Moody's, Standard & Poor's (S&P) oder Fitch wagen, eines dieser Euroländer herabzustufen, ist der Aufschrei vorprogrammiert. Denn seit der Finanzkrise von 2008 stehen die Bewertungsgesellschaften unter Dauerbeschuss. Sie hätten die Risken übersehen, die zur Finanzkrise geführt hätten, heißt es.

Tatsächlich haben sich die „großen drei“ damals mit ihrer Einschätzung der Lage gehörig vertan. Zum Beispiel im Fall der isländischen Bank Kaupthing. Die Bank, die den kleinen Inselstaat beinahe in die Pleite stürzte, galt in den Akten der Agenturen noch lange als solvent – erst am Tag der Verstaatlichung senkten sie die Bewertung auf „in Zahlungsverzug“. Und die US-Investmentbank Lehman Brothers erhielt bis drei Tage vor ihrem Bankrott überhaupt Bestnoten.

Abstufung Frankreichs: Ein Versehen?

Mehr als eineinhalb Jahre später brannte es in Europa. Als das Debakel in Griechenland deutlich wurde, reagierte S&P mit einem saftigen „Ramsch“ für hellenische Staatsanleihen. Plötzlich wechselte die Kritik die Richtung: S&P habe „überreagiert“; hätte die Agentur doch besser gewartet, bis „alle Fakten“ auf dem Tisch lägen, sagten Experten. Dass S&P schon damals, im April 2010, richtig gelegen ist, bezweifelt heute wohl niemand mehr.

Die Kritik an den Agenturen ist aber nicht geringer geworden. Besonders in Europa missfällt es Politikern, dass die drei großen Player auf dem Ratingmarkt zumindest ideologisch stark im angelsächsischen Raum verankert sind. Moody's und S&P sind US-amerikanisch, Fitch gehört zwar einem französischen Konzern – ihre Büros hat die Agentur aber in London und New York. Kritisiert wird auch, dass der Ratingmarkt von den großen drei Agenturen dominiert wird.

Wasser auf die Mühlen der Kritiker brachte kürzlich S&P mit der „versehentlichen“ Abstufung Frankreichs. Es habe sich um eine Panne gehandelt, sagte der Konzern. Informationen der „Presse“ zufolge könnte auch politischer Druck aus Frankreich im Spiel gewesen sein: S&P soll das Rating erstellt, dann aber wieder zurückgezogen haben, sagen informierte Personen.

Die EU-Kommission hat vor einiger Zeit ein Verbot für Herabstufungen von Krisenländern angekündigt, dieses aber zuletzt auf unbestimmte Zeit verschoben. Außerdem sollen Anleger künftig gegen „falsche“ Ratings vor Gericht klagen können. Seit Mitte 2010 müssen sich Ratingagenturen zudem bei den EU-Behörden registrieren, wenn sie in der Union tätig sein wollen.

Grafik: Die Presse

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2011)

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