Suche nach Geld wird verzweifelter

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Die Banken trauen sich gegenseitig nicht mehr über den Weg. Italienische Häuser refinanzieren sich über fragwürdige Wege. Die Euro-Rettung steht indes komplett still.

Wien/Jil. In ihrer fieberhaften Suche nach kurzfristiger Liquidität greifen die italienischen Großbanken auf fragwürdige Kanäle zurück. So berichtet die „New York Times“ („NYT“) auf ihrer Website, dass 15 italienische Banken sich ihr „Cash“ inzwischen über einen Umweg an der Londoner Börse beschaffen. „Die Banken wenden sich an CC&G, das italienische Clearinghaus an der Londoner Börse“, schreibt die „NYT“. Ein Clearinghaus fungiert als Vermittler zwischen zwei Marktteilnehmern.

Der jüngste Wall-Street-Pleitefall MF Global war so ein Clearinghaus. Die „NYT“ schreibt, dass sich inzwischen auch die italienischen Großbanken UniCredit und Mediobanca sowie andere europäische Banken mit einem Sitz in Italien kurzfristige Liquidität von CC&G beschaffen. Das Geld für die Banken stammt nicht direkt vom Clearinghaus, sondern von dessen Kunden. Diese hinterlegen für Börsengeschäfte ein Pfand beim Clearinghaus. Und dieses vergibt CC&G jetzt kurzfristig an Banken.

Banken misstrauen sich

Eigentlich nützen Banken den sogenannten Repo-Markt, um sich kurzfristige Liquidität zu besorgen. Seit die Schuldenkrise auf Italien übergegriffen hat und Zweifel an der Fähigkeit Italiens, seine Schulden auch zurückbezahlen zu können, laut werden, ist es für italienische Banken schwieriger, sich auf den Repo-Märkten zu refinanzieren. Die Banken trauen sich gegenseitig nicht mehr über den Weg. Das Clearinghaus CC&G vergibt keine Kredite an die Banken, sondern zahlt das Geld kurzfristig auf die Konten der Bank ein. Dafür verlangt CC&G Zinsen und verdient damit Geld. Der Vorteil dieser Methode: Sollte eine Bank pleitegehen, hat CC&G nach italienischem Recht Priorität vor den anderen Kreditgebern, wenn es darum geht, das geborgte Geld zurückzubekommen. Der Nachteil: Ähnlich wie MF Global setzt auch CC&G das Geld seiner Kunden einem Risiko aus, das nur schwer einzuschätzen ist. Noch dazu sind diese Kunden oft die Banken selbst.

Das Geld, das sich Banken von CC&G holen, stammt oft aus Konten, in denen jene Pfandbestände liegen, die Handelsabteilungen derselben Banken hinterlegt haben. Der Umweg über das Clearinghaus ist also keine Lösung der Liquiditätskrise, sondern erhöht tatsächlich das Risiko für alle Beteiligten. Zumal sich die Lage am Interbanken-Kreditmarkt auch keineswegs entspannt. So haben die britischen Banken den Geldfluss an die Euro-Krisenländer stark gedrosselt, berichtet die „Financial Times“ („FT“). Binnen drei Monaten haben die vier größten britischen Geldhäuser ihre Interbanken-Kredite an Länder wie Italien, Griechenland und Spanien um ein Viertel auf 10,5 Milliarden Pfund (12,3 Milliarden Euro) heruntergefahren.

Auch Josef Ackermann, der Chef der Deutschen Bank, bestätigte am Freitag, dass die Banken große Probleme haben, sich Liquidität zu beschaffen. Die Bereitschaft der Anleger zu langfristigen Investitionen in Banken sei „derzeit nicht sehr ausgeprägt“, sagte Ackermann am Rande einer Finanzkonferenz in Frankfurt. Die kurzfristige Refinanzierung würde in Europa zwar noch funktionieren, aber ohne die Hilfe der Zentralbank EZB wäre die Lage im Moment viel schlechter. Der Ex-EZB-Chef Jean-Claude Trichet hat im Oktober eine Liquiditätslinie geöffnet, mit deren Hilfe sich die Banken billiges Zentralbankgeld beschaffen können.

Endstation Druckerpresse

Diese Liquiditätslinien sind eine von vielen Maßnahmen, mit denen die EZB versucht, die Banken- und Staatsschuldenkrise in Europa zu lindern. Der Streit zwischen Deutschland und dem Rest Europas um einen größeren Einsatz der EZB-Notenpresse ist indes in vollem Gang. China fällt laut einem Bericht von Reuters als möglicher Retter der Eurozone komplett aus. Von den 3,2 Billionen Dollar in den chinesischen Währungsreserven stünden gerade mal 100 Milliarden zur Disposition – mit Sicherheit nicht genug, um die Schuldenkrise einzudämmen.

Reuters berichtet unter Berufung auf EU-Beamte von einer neuen Idee: Die EZB könnte dem Internationalen Währungsfonds (IWF) Geld leihen – und der könnte sich mit diesem Geld daran machen, die überschuldeten Euroländer zu retten. Direkte Staatsfinanzierung via Druckerpresse ist der EZB eigentlich verboten. Aber: Die Mithilfe des IWF „könnte ein Weg sein, die rechtlichen Beschränkungen der EZB zu umgehen“, zitiert Reuters einen EU-Beamten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2011)

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