Green Building Zertifikate: „Letztlich sind alle die Guten“

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Ob Leed, Breeam, Green Building oder DGNB – Zertifikate gibt es einige. Marketinginstrument? Heilloses Dickicht für Laien? Unterschiedliche grüne Systeme sind in Diskussion: über Nutzen und Sinn.

Die Experten sind sich einig. Die Bedeutung von Green Building Zertifikaten wird noch stark zunehmen. Bereits heute gilt es als höchst unwahrscheinlich, dass sich große internationale Unternehmen in ein nicht zertifiziertes Gebäude einmieten. Eine Studie von Roland Berger bestätigt den ökonomischen Nutzen für die Vermieter: In zertifizierten Objekten können höhere Mieten erzielt werden. Gleichzeitig ist die Leerstandsrate geringer. Die Mieter können wiederum mit – zum Teil beträchtlichen – Einsparungen bei den Betriebskosten rechnen.

Ob Leed, Breeam, Green Building oder DGNB – Zertifikate gibt es einige. Von einem „heillosen Dickicht für Laien“, spricht etwa Ursula Schneider, Geschäftsführerin von POS Architekten. Nach welchem Label schlussendlich zertifiziert wird, sei eine Entscheidung des Investors. Das international am weitesten verbreitete Zertifikat ist Leed („Leadership in Energy and Environmental Design“), das vom US Green Building Council entwickelt wurde. Kritiker bemängeln, dass es stark auf die US-Rahmenbedingungen zugeschnitten und weniger detailliert konzipiert ist als etwa europäische Zertifizierungssysteme.

Heimische Variante

Als europäischer Gegenentwurf zu Leed gilt das DGNB-Zertifikat („Deutsches Gütesiegel Nachhaltiges Bauen“). Es basiert auf der Idee einer integralen Planung und wurde am Bauwerkstyp „Neubau, Büro und Verwaltung“ konzipiert. In Österreich wird eine lokale Adaption von der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) vergeben. Laut Peter Maydl, Leiter des Instituts für Materialprüfung und Baustofftechnologie der TU Graz und Co-Lehrgangsleiter des Universitätslehrgangs „Nachhaltiges Bauen” des Continuing Education Center der TU Wien, handelt es sich dabei um ein sehr umfassendes System, das mit europäischen Normen kompatibel ist. „Es umfasst den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes inklusive Rückbau und Recycling“, sagt er.

Auf Einladung von First Facility Austria diskutierte am 15.November eine Expertenrunde das Thema „Krieg der Green Building Zertifikate“ – darunter auch ÖGNI-Präsident Philipp Kaufmann und CB Richard Ellis-Geschäftsführer Andreas Ridder. Letzterer bestätigt die Notwendigkeit der Labels. „Ohne Zertifikat verliert man potenzielle Mieter. Vor allem internationale Unternehmen bestehen darauf“, sagt er. Kaufmann will sich nicht auf eine Diskussion über die Qualität der verschiedenen Labels einlassen. „Die einzelnen Systeme sind nicht gegeneinander aufgestellt. Keines ist auf der dunklen Seite der Macht angesiedelt, sondern letztlich sind alle die Guten“, sagt er.

Die Labels haben für Maydl den Vorteil gemeinsam, einen Bau vorab in Zahlen zu überprüfen: „Zertifikate helfen, dem Planungsteam frühzeitig bewusst zu machen, was alles zu beachten ist“, sagt er. Derzeit macht er noch eine Lücke aus zwischen Zertifikaten – die er als „bautechnischen Due-Diligence-Prozess“ umschreibt – und der Immobilienbewertung, deren Aufgabe es bekanntlich ist, Prognosen für die künftige Marktentwicklung zu treffen. „Aufgrund der steigenden Nachfrage nach Zertifikaten schließt sich diese Lücke allmählich“, so Maydl.

Trotz des offensichtlichen Einsparungspotenzials sehen viele Kritiker Green Building Zertifikate in erster Linie als Marketinginstrument – eine Ansicht, der Maydl grundsätzlich nicht widersprechen möchte. „Wenn dadurch allerdings der Ressourcenverbrauch effizienter und die Umweltbelastung geringer wird, dann soll mir das recht sein“, so der Experte.

Zertifizierungen in Österreich

Es gelten folgende Systeme: das deutsche DGNB (wird von der ÖGNI umgesetzt), die TQB-Bewertung, das britische Breeam, Leed aus den USA und das Green Building der Europäischen Kommission.
www.ogni.at, www.breeam.org, www.leed.net, www.dgnb.de, www.eu-greenbuilding.org, www.oegnb.net

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2011)

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