Novak Djoković: Tennis-Ass mit Diplomatenpass

Novak Djokovi TennisAss Diplomatenpass
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Novak Djokovićs kometenhafter Aufstieg hat das Interesse an seiner Person abseits des Tennis gefördert. Nicht Asse, sondern Heldenkult, Nationalismus und angebliche Geldgier machen Schlagzeilen.

Die sportliche Entwicklung von Novak Djoković wirkt wie der Traum eines Athleten. Nach vier Jahren in Folge, die der Serbe als Dritter abgeschlossen hatte, stürmte er im Juli 2011 schließlich an die Spitze der Weltrangliste. Dort verharrt er seitdem mit nunmehr deutlichem Vorsprung. Ein explosiver Sprung auf den Tennisthron: Drei der vier Grand Slams, zehn Turniere insgesamt, und 69 von 73 Matches hat Djoković in dieser Saison gewonnen. Das bisher in diesem Jahr eingestrichene Preisgeld von knapp elf Millionen US-Dollar ist ein historischer Rekord. Mit seinem ersten Spiel bei den ATP Finals in London kann er heute gegen Tomas Berdych den Weg zu weiteren 1,63 Millionen Dollar ebnen.

Doch mit den Erfolgen des sympathisch wirkenden Novak Djoković ist auch das Interesse an ihm größer geworden und erstreckt sich auch auf Bereiche jenseits des Sports. Während er in seiner Heimat gefeiert wird, kamen zuletzt Vorwürfe auf, Djoković würde entweder eine Verletzung vortäuschen oder bei Turnieren nur wegen des Geldes antreten. Seiner Popularität ist dieser Verdacht nicht zuträglich. Auch durch politische Äußerungen hat sich der 24-Jährige nicht eben beliebt gemacht.

In Serbien ist Djoković ein Nationalheld. Kaum eine Biografie bietet sich im krisengebeutelten Land besser für ein Idol an: Als die Nato 1999 Bomben auf Serbiens Hauptstadt Belgrad warf, war Novak Djoković gerade zwölf Jahre alt. Trotz des Krieges unterbrach er das Training nicht, übte immer dort, wo Bombeneinschläge am unwahrscheinlichsten erschienen. Später übersiedelte der schlanke Junge ganz allein nach Süddeutschland, um unter der ehemaligen kroatischen Tennisikone Niki Pilic zu trainieren.

Kredit für Tennisinternat

Das Internat, in dem Novak untergebracht werden sollte, war teuer, also nahm sein Vater einen Kredit auf. Der Einsatz lohnte sich, als der Sohn 2003 als Sechzehnjähriger Profi wurde. Drei Jahre später schaffte er es in die Top 20 der Welt, 2008 gewann er in Melbourne seinen ersten Grand Slam. Als Djoković in diesem Jahr Wimbledon gewann, wurde er von 100.000 Serben in Belgrad gefeiert, Staatschef Boris Tadic bot dem Tennisspieler überschwänglich sein Präsidentenamt an.

Bekommen hat Djoković dafür einen Diplomatenpass. „Der hilft mir vor allem auf dem Flughafen“, grinste er am Samstag im Rahmen der Vorbereitungen zu den ATP Finals. Von mehr Äußerungen dazu wird Djoković von einem Berater zurückgehalten. Ein Botschafter ist der Weltranglistenerste, wenn auch mit Maulkorb, allemal. Dem Namen Serbiens, der nach dem Zerfall Jugoslawiens und den kriegerischen Konflikten um General Ratko Mladic und den früheren serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic oft mit Gewalttätigkeit verbunden war, hilft Djoković international zu einer positiven Konnotation. Gleichzeitig ist der Tennisstar selbst serbischer Nationalist. „Kosovo ist Serbien“, teilte er vor drei Jahren nach dem Australian-Open-Sieg per Videobotschaft mit. Um die Zugehörigkeit Kosovos, das Serbien als sein Gebiet ansieht, während viele Kosovaren die Unabhängigkeit bevorzugen, schwelt seit über zehn Jahren ein Konflikt.

Djoković und die Politik

Seine politische Ansicht teilt Novak Djoković, dessen Wurzeln selbst im Kosovo liegen und der in Serbien Geld für den Wiederaufbau serbisch-orthodoxer Kirchen gestiftet hat, mit Serbiens Außenminister Vuk Jeremic. Jeremic ist im Begriff, zum mächtigsten Mann im serbischen Tennisgeschäft aufzusteigen. So besteht die Möglichkeit, dass das serbische Tennis ein verlängerter Arm der Politik wird, mit dem bekanntesten Gesicht des Landes als Speerspitze. Im Gegenzug richtet Djoković mit seiner Familie die Serbia Open, ein ATP-Turnier, aus.

Neben der engen Verbindung von Tennis und Politik in Serbien drängte sich zuletzt aber auch die Frage auf, ob Djoković auf dem Platz ein falsches Spiel spiele. „Ich hatte in den letzten Wochen Probleme mit meiner Schulter“, sagte der 1,87 Meter große Athlet am Samstag in London. „Jetzt fühle ich mich wieder fit.“ Noch vor knapp zwei Wochen gab er vor dem Viertelfinale des Paris Masters aus Verletzungsgründen kampflos auf. Schon kurz zuvor in Basel war er angeschlagen aus dem Turnier gegangen. Aber durch seinen Auftritt in Paris erhielt Djokovic als Weltranglistenerster 1,6 Millionen US-Dollar Antrittsprämie, die ihm entgangen wären, hätte ihm das Turnier in dieser Saison gefehlt. Der Verdacht liegt nahe, dass er sich gegen eine üppige Entschädigung auf den Court gequält habe.

Geldgier oder Taktiererei?

Sollte Djoković aber nicht des Geldes wegen in Paris angetreten sein, könnten seine Blessuren auch tatsächlich gar keine sein, sondern bloß Taktik. Denn nun ist Roger Federer in London der Favorit der Buchmacher. Novak Djoković, die Nummer eins, kann frei aufspielen. Dass sich das Interesse an Novak Djokovićs Person wieder auf sein Spiel auf dem Tenniscourt verlagert, kann der 24-Jährige wohl nur durch weitere Erfolge erreichen. Gemessen am Verlauf dieser Saison wird das nicht einfach, wie er selbst am besten weiß. Auf die Frage, was in Zukunft noch kommen solle, zuckte der Serbe in London mit den Achseln: „Na ja, es geht immer besser. Aber noch mehr zu gewinnen, wird schon schwer.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2011)

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