Die Grünen änderten die Politik und bleiben doch sehr klein

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Zum 25. Geburtstag sollten sich die Grünen langsam damit anfreunden, dass verantwortungsvolle Politik nicht nur den Umweltschutz meint.

Trifft man dieser Tage Grünen-Politiker, sieht man nicht selten ein verklärtes Lächeln. Ein bisschen Nostalgie schwingt da schon mit, wenn Eva Glawischnig dem „Online-Standard“ erzählt, dass sie früher immer mit Handschellen in der Hosentasche durch die Gegend gelaufen sei. Allzeit bereit, sich an den nächsten Baum oder das nächste Bahngleis zu ketten, um Holzfäller oder Tiertransporte zu behindern. Heute würde sie so wohl eher mit den Enzi-Stadtmöbeln im Museumsquartier verfahren, sollte irgendjemand auf die Idee kommen, diese zu entfernen. Was in Wien ohnehin keiner wagen würde.

Die Veteranen von Hainburg und – die noch graueren – von Zwentendorf schauen heute stolz auf 25 Jahre Grüne im Parlament. Viel hat sich gar nicht geändert, statt Müsli gibt es heute eben Rucola, und die Turnschuhe heißen Sneakers. Einst wurden die Babys der Grünen im Plenum gestillt, 20 Jahre später durften sie schon im Büro der Dritten Nationalratspräsidentin, Eva Glawischnig, dösen. Zwar müssen die Grünen nicht mehr um den Wiedereinzug in den Nationalrat bangen, doch auch unter der Kanzlerschaft Werner Faymanns, einer politisch lustlosen bis ängstlichen SPÖ und einer schwächelnden ÖVP schaffen die Grünen nicht einmal in Umfragen mehr als 15 Prozent. Selbst im Jahr der Atomkatastrophe in Fukushima ist für Eva Glawischnig nicht mehr möglich. Das ist offenbar der Zenit für eine Partei, deren Wähler keineswegs so homogen sind, wie die Parteispitze gern glauben machen will. Die Kinder der ÖVP-Wähler aus Wiens Innenstadtbezirken, die in Scharen – nicht selten des Images wegen – zu den Grünen gewechselt sind, ärgern sich längst über hohe Steuern und halten Asyl für alle für keine sehr gute Idee.

Dennoch rückte die Partei in den vergangenen Jahren weiter nach links. Interessanterweise wurde darüber in der Partei, in der über jeden Gemeinderatskandidaten und jede Statutenänderung ewig und kontroversiell geredet wird, nicht wirklich diskutiert: Eine (wahlarithmetisch ohnehin kaum mehr mögliche) Koalition mit der ÖVP, wie einst von Alexander Van der Bellen mit Wolfgang Schüssel angedacht, wird in der Parteispitze de facto ausgeschlossen. Das Ziel lautet klar Rot-Grün – obwohl auch das laut Umfragen in weiter Ferne steht. Wirtschafts- und finanzpolitisch haben sich die Grünen links eingegraben: Steuern sollen Frieden und Sozialnetz retten. Unternehmer, Besserverdiener oder Vermögende müssten deutlich mehr zahlen, ginge es nach den Plänen der Grünen. Einen Sparkurs lehnen sie ab, das würge nur das Wirtschaftswachstum ab. Und von einer verfassungsrechtlich verankerten Schuldenbremse halten sie schon gar nichts. Dies sollte bei bürgerlichen Grün-Wählern in Wien Josefstadt und Neubau doch für sanfte Irritationen sorgen.

Dabei gefallen den Grünen Verbote und gesetzliche Beschränkungen sonst gut, egal, ob es sich um Zigarettenautomaten, Plastiksäcke, umweltschädliche Automodelle oder den gesamten Pkw-Verkehr in Wien handelt. Das brachte der Exfraktion der Revoluzzer und Systemkritiker den Ruf ein, zur Verbotspartei zu mutieren. Daran ist nicht selten auch eine ungeschickte Argumentationslinie schuld: So argumentiert Maria Vassilakou die Erhöhung der Parkgebühren mit dem Kampf gegen den Feinstaub, erst nachdem dieser wieder zum medialen Thema wurde. Gleich nach der Ankündigung der Preiserhöhung war der Feinstaub noch kein Thema...

Aber dass die Grünen ihre gesamte politische Arbeit und im Fall Wiens zumindest ihre Mitverantwortung dem kompromisslosen Kampf für die Umwelt verschreiben, ist verständlich – ähnlich gut und glaubwürdig stehen sie sonst nur bei dem Thema politische Korruption da. Das ist auch ihre historische Bedeutung: Sie haben die Umweltpolitik eingeführt und allen Parteien aufgezwungen. Zum Umweltschutz muss sich jeder Politiker bekennen, den Vorrang für Wirtschaft, Rendite und Arbeitsplätze formuliert nicht einmal mehr die Industriellenvereinigung als Ziel.

Das ist keine kleine Leistung. Aber es reicht noch nicht, um mehr als 15 Prozent der Stimmen zu bekommen. Es reicht nicht, um als echte inhaltliche Alternative gesehen zu werden. Und hoffentlich nicht, um Verantwortung für ein Staatsbudget übertragen zu bekommen.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2011)

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