Nach Neonazi-Morden: Neuer Anlauf für NPD-Verbot?

NPD Rechtsextremismus Neonazi-Morde
NPD Rechtsextremismus Neonazi-Morde(c) dapd (Nigel Treblin)
  • Drucken

Die deutsche Kanzlerin ruft zum vereinten Kampf gegen Rechtsextreme auf. Innenminister Friedrich lässt ein Verbot der NPD prüfen. Ein Stolperstein könnten einmal mehr die V-Leute in der Partei sein.

Nach dem Auffliegen einer neonazistischen Mordserie rückt ein neuer Anlauf zum Verbot der rechtsextremen NPD näher. Der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will prüfen, ob ein Verbotsverfahren möglich ist, ohne alle V-Leute aus der NPD abziehen zu müssen. An der Existenz der V-Leute des Verfassungsschutzes war 2003 der erste Versuch gescheitert, ein Verbot durchzusetzen. "Wir werden prüfen, ob es einen gangbaren Mittelweg gibt", sagte Friedrich. Auch der frühere Innenminister Otto Schily (SPD) sprach sich für ein neues Verbotsverfahren aus.

Am Mittwochabend hat Bundespräsident Christian Wulff als Geste der Anteilnahme Angehörige der Opfer der Neonazi-Mordserie zu einem vertraulichen Gespräch empfangen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wertete das Treffen als "Zeichen der Zuwendung und der Verbundenheit des ganzen deutschen Volkes". Eindringlich rief sie die demokratischen Parteien zum vereinten Kampf gegen den Rechtsextremismus auf.

An dem Treffen mit Wulff nahmen auch mehrere Spitzenpolitiker teil. Bei der Anfahrt zum Schloss Bellevue, dem Amtssitz des Bundespräsidenten, wurden unter anderen Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und mehrere Chefs der Bundestagsfraktionen gesehen. Beim Gespräch mit den Angehörigen der zehn Toten kam möglicherweise auch die Frage einer zentralen Trauerfeier zur Sprache. Über einen solchen Staatsakt ist noch nicht entschieden.

Opfer der Mordserie einer Neonazi-Bande zwischen den Jahren 2000 und 2007 waren acht türkischstämmige und ein griechischer Kleinunternehmer sowie eine Polizistin. "Diese Taten sind nicht mehr und nicht weniger als ein Angriff auf unser demokratisches Gemeinwesen", sagte Merkel im Bundestag. Die in Schwarz gekleidete Regierungschefin las die Namen aller zehn erschossenen Opfer vor.

Opposition bemängelt Kampf gegen Rechts

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel warf der Bundesregierung vor, durch eine weitere Schwächung der Gemeindefinanzen den Rechtsextremismus zu begünstigen. Wenn Städte und Gemeinden sich wegen der Finanznot aus ihren Aufgaben zurückzögen, würden Rechtsradikale in diese sozial entleerte Räume eindringen, sagte Gabriel im Bundestag. Als Beispiel nannte er ostdeutsche Kommunen, in denen die NPD anbiete, Jugendzentren und Kindergärten fortzuführen, die ansonsten geschlossen würden.

Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir forderte mehr Geld für Initiativen gegen Rechtsextremismus und für Aussteigerprojekte. Mit Blick auf die Bundestagsdebatte über die Serienmorde der Zwickauer Neonazi-Zelle sagte Özdemir, er habe ein Wort des Dankes vermisst an diejenigen, die die "Drecksarbeit" übernommen hätten.

(Ag.)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Archivbild: Der verhaftete NPD-Funktionär Wohlleben (links) mit einem mittlerwele verstorbenen Verdächtigen im Jahr 1996.
Weltjournal

Deutschland setzt bei Terror-Ermittlungen auf Plakate

Die deutsche Neonazi-Terrorgruppe NSU könnte weitere Taten begangen haben. 470 Beamte ermitteln, die Behörden bitten die Bevölkerung um Hilfe.
Weltjournal

Neonazi-Mordserie: Ex-NPD-Funktionär verhaftet

Ralf W. soll seit 1995 in Kontakt mit Terrortrio gewesen sein und von Morden gewusst haben. Der langjährige NPD-Funktionär wurde in Jena von Spezialeinheiten der Polizei festgenommen.
Weltjournal

Die virtuellen Netze der Neonazis

Rechtsextreme sind zunehmend im Internet aktiv. Nach Gottfried Küssels Verhaftung organisiert sich die Szene neu. Er war in der Vergangenheit nicht nur oft bei den ostdeutschen Kameraden zu Gast.
Zwickau Neonazi Terror
Weltjournal

Nach Mordserie: Elitetruppe nimmt Neonazi-Filmer fest

Der 32-jährige Andre E. soll einen Propagandafilm für den "Nationalsozialistischen Untergrund" gemacht haben. Der Gruppe werden zehn Morde zur Last gelegt. Die Polizei durchsucht mehrere Wohnungen.
Weltjournal

Die mörderischen Späße der Neonazis

In der rechtsextremen Szene florieren Verschwörungstheorien und ein „Döner“-Song wirft die Frage auf, wie viele eigentlich von der Existenz der Terroristen ahnten.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.