Osteuropa: Raiffeisen prüft Teilrückzug

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Raiffeisen rüstet sich mit einem Sparpaket für härtere Zeiten. Bankchef Herbert Stepic deutet an, dass „wir uns aus dem einen oder anderen Land zurückziehen werden“.

Wien/Höll. Die Raiffeisen Bank International (RBI) gehört zu den Pionieren in Osteuropa. Das Filialnetzwerk reicht von Prag bis nach Wladiwostok am Pazifischen Ozean. Wegen der strengeren Auflagen der Finanzaufsicht und wirtschaftlicher Unsicherheiten denkt RBI-Chef Herbert Stepic nun erstmals über einen Rückzug aus einzelnen Märkten nach. Es sei „durchaus möglich, dass wir uns aus dem einen oder anderen Land in der Zukunft zurückziehen werden“, sagte Stepic am Donnerstag bei der Bilanzpressekonferenz. In der Bank beschäftige man sich intensiv mit diesem Thema. Welche Staaten davon betroffen seien, sagte Stepic nicht. Es gehe um Märkte, die auf längere Sicht wenig Entwicklungspotenzial hätten.

Derzeit ist Raiffeisen in 18 Ländern tätig und gehört neben Bank Austria und Erste Bank zu den führenden Finanzkonzernen in der Region. Wegen der Probleme in Ungarn ist der Gewinn von RBI im dritten Quartal um 58,2 Prozent auf 130 Mio. Euro gesunken. Die Giebelkreuzer stehen damit aber immer noch besser da als die Konkurrenz. Die Erste Bank verbuchte ein Minus von 1,49 Mrd. Euro, auch die Bank Austria rutschte mit 635 Mio. Euro im Quartal tief in die roten Zahlen.

Großer Verlust in Ungarn

„Ungarn ist unser Problemfall“, so Stepic. Bei der Budapester Tochter fiel im dritten Quartal ein Verlust von 245 Mio. Euro an. Schuld daran ist das Gesetz über Fremdwährungskredite, wonach Bankkunden ihre in Schweizer Franken aufgenommene Darlehen zu einem um bis zu 25 Prozent günstigeren Kurs umtauschen können. Die Kosten dafür müssen die Banken tragen. Laut Stepic wird die Ungarn-Tochter heuer auf ein Minus von 320 Mio. Euro kommen. Bis Jahresende soll es dort eine substanzielle Kapitalerhöhung geben. „Aus heutiger Sicht“ will Stepic aber Ungarn nicht den Rücken kehren.

Empörung in Osteuropa

Derzeit geraten die Banken von mehreren Seiten unter Druck. Wegen der europäischen Schuldenkrise steht ein Konjunkturabschwung bevor. Damit steigt die Anzahl der faulen Kredite. Gleichzeitig müssen die Finanzkonzerne auf Druck der Aufsicht ihre Kapitalquoten erhöhen.

Für Empörung sorgen in Osteuropa die am Montag veröffentlichten Vorgaben der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), wonach sich Erste Bank, Raiffeisen und Bank Austria künftig bei der Vergabe von Neukrediten an strenge Limits halten müssen. Laut Rumäniens Präsident Traian Basescu gleicht diese Maßnahme einem Finanzierungsstopp. Das Staatsoberhaupt kritisierte die OeNB scharf. Denn Rumänien habe als Bedingung für den EU-Beitritt die Banken privatisiert. Damals kauften sich Österreichs Finanzkonzerne im großen Stil ein. Diese machten in den Jahren 2000 bis 2009 große Gewinne. Jetzt die Kreditvergabe einzuschränken sei „mangelndes Fair Play“, ärgerte sich Basescu.

Auch Vertreter der polnischen Regierung sind über die OeNB verärgert. In Warschau gibt es nun Bestrebungen, den Einfluss westeuropäischer Banken zurückzudrängen. Die Staatsbank PKO BP erklärte sich bereit, polnische Banken mit ausländischen Eigentümern zurückzukaufen.

Raiffeisen-Chef Herbert Stepic ist vor allem die Europäische Bankenaufsicht EBA ein Dorn im Auge. Diese verlangt, dass alle europäischen Großbanken bis Ende Juni 2012 die Kernkapitalquote auf neun Prozent erhöhen müssen. „Plötzlich ist Raiffeisen das österreichische Institut mit dem höchsten Kapitalbedarf“, so Stepic. In Summe soll die Raiffeisen Zentralbank, Mutterkonzern der börsenotierte RBI, 2,5 Mrd. Euro auftreiben. „Das ist, als wenn man einem Langstreckenläufer, der sich auf die Olympiade 2016 vorbereitet, jetzt sagt, er muss 2012 antreten, und zwar im 100-Meter-Sprint“, kritisiert Stepic.

Selektive Geschäftsreduktion

Um auf die Quote von neun Prozent zu kommen, planen RZB und RBI einen Sparkurs. Auch Österreich wird davon betroffen sein. Wie viele Mitarbeiter abgebaut werden, steht noch nicht fest. Eine selektive Geschäftsreduktion soll bis zu 600 Mio. Euro bringen. Nicht ausgeschlossen ist, dass die Raiffeisen-Landesbanken der RZB Geld zuschießen werden. Eine Kapitalerhöhung bei der börsenotierten RBI ist derzeit kein Thema.

Laut Stepic wird RBI trotz der Probleme in Ungarn auch im Gesamtjahr einen Gewinn erzielen. Zur Höhe der Dividende äußerte er sich nicht. Seinen Worten zufolge stehe man „am Beginn eines neuen Zeitalters. Die Wahrscheinlichkeit, dass es ein goldenes sein wird, ist nicht allzu hoch.“

Auf einen Blick

Wegen der Probleme in Ungarn ist der Gewinn der Raiffeisen Bank International (RBI) im dritten Quartal um 58 Prozent auf 130 Mio. Euro gesunken. Bei der Budapester Tochter fiel ein Verlust von 245 Mio. Euro an. Trotzdem will Raiffeisen-Chef Herbert Stepic in Ungarn bleiben. Möglich sei dagegen ein Rückzug aus anderen Ländern in Osteuropa.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2011)

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