Online-Handel: Mehr Information, weniger Klarheit

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Die EU-Staaten müssen bis Ende 2013 eine in der Vorwoche veröffentlichte Richtlinie über neue Verbraucherrechte umsetzen. Sie könnte ihr Ziel verfehlen.

Wien. Die im Oktober vom Europäischen Parlament verabschiedete Verbraucherrechte-Richtlinie (2011/83/EU) wurde vorige Woche im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Sie soll Verbrauchergeschäfte offline und online vereinheitlichen und ist von den Mitgliedstaaten innerhalb der nächsten zwei Jahre in nationales Recht umzusetzen. Verbraucher hofften, sie könnten bald EU-weit ohne Sorgen im Internet einkaufen, und Unternehmer erwarteten, dass sie in Hinkunft nicht mehr für jeden Mitgliedstaat eigene Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) benötigen würden. Diese Hoffnungen hat die Richtlinie nur teilweise erfüllt.

14 Tage Rücktrittsrecht

Es ist zu befürchten, dass neue umfassende Informationspflichten für Online-Shops Unternehmer und Verbraucher gleichermaßen verwirren werden. Lediglich die Rücktrittsfrist im Online-Handel wurde vereinheitlicht und beträgt nach Umsetzung der Richtlinie 14 Tage (statt bisher sieben Tagen); sie kann sich auf zwölf Monate verlängern, wenn die Informationspflichten nicht eingehalten werden. Im Übrigen haben die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung in nationales Recht aber erheblichen Ermessensspielraum, sodass ein rechtlicher Fleckerlteppich in der EU weiterhin möglich ist.

Konkret hat die EU bei den Informationspflichten durch die großzügige Verwendung des Wortes „gegebenenfalls“ versucht, möglichst viele praktische Beispiele für dieselbe Information in die Richtlinie zu bringen. Ob am Ende der Konsument noch weiß, wer sein Vertragspartner ist, oder der Unternehmer, was er nun wirklich auf seine Internetseite schreiben muss, ist fraglich.

„Gegebenenfalls die Anschrift“

Nach der Umsetzung in österreichisches Recht muss ein Online-Shop-Betreiber die Anschrift des Ortes angeben, an dem er niedergelassen ist oder „die Geschäftsanschrift und gegebenenfalls die Geschäftsanschrift des Unternehmers, in dessen Auftrag er handelt, an die sich der Verbraucher mit jeder Beschwerde wenden kann“. An welche Adresse sich der Verbraucher wenden kann, wird am Ende niemand genau wissen. Allein für Internetverträge gibt es gezählte 20 verschiedene Informationen, die ein Unternehmer „gegebenenfalls“ bereitstellen muss. Es steht den Mitgliedstaaten aber frei, die Regelung sprachlich leichter verständlich zu machen oder noch mehr Informationspflichten aufzuerlegen. Ein Online-Shop läuft dann Gefahr, den Verbraucher mit einer Informationsflut zu überrollen. Bevor der Unternehmer aber der Versuchung erliegt, wenig zu informieren, und sich denkt, so viel liest ohnehin niemand, muss er die Konsequenzen kennen: Werden die Informationspflichten nämlich nicht eingehalten, verlängert sich das Rücktrittsrecht des Konsumenten auf bis zu zwölf Monate.

Positiv ist, dass „digitale Inhalte“ ausdrücklich geregelt wurden. Die noch aktuelle Richtlinie stammt aus dem Jahr 1997, als noch niemand an App-Käufe und Musik-Streaming dachte. Technische Neuerungen wurden in die verstaubten Regelungen „hineinargumentiert“, damit auch hier eine gewisse Rechtssicherheit entsteht. Von Verträgen über digitale Inhalte kann der Verbraucher laut Richtlinie zurücktreten, wenn die Ausführung noch nicht begonnen hat. Damit ist zum Beispiel der Download gemeint. In der Praxis geschieht die Ausführung sofort nach Vertragsabschluss und ist auch so gewollt. Auch hier muss der Verbraucher informiert werden, ansonsten könnte er zumindest 14 Tage lang vom Vertrag zurücktreten.

Verbraucher zahlt Rücksendung

Tritt der Verbraucher von einem Vertrag zurück, stellen sich in der Praxis oft zwei Fragen: Wer bezahlt die Rücksendung, und was passiert, wenn die Ware bereits benutzt wurde? Rücksendekosten waren bisher von Staat zu Staat unterschiedlich geregelt. In Hinkunft tragen diese die Verbraucher, außer der Unternehmer übernimmt sie freiwillig oder vergaß, den Verbraucher über die Kosten zu informieren. Gekaufte Ware kann der Verbraucher allgemein so testen, wie es in einem Geschäft möglich ist. Er kann Kleidung also anprobieren, aber nicht tragen.

Auch Unternehmen, die in ihren Geschäftsräumlichkeiten Verträge abschließen, werden in der Richtlinie mit Informationspflichten bedacht. Sie müssen hier beispielsweise über die gesetzliche Gewährleistung aufklären. Das ist gar nicht so leicht zu erfüllen, weil auch Juristen bei manchen Fragen der Gewährleistung nicht einer Meinung sind. Die Mitgliedstaaten können aber Geschäfte des täglichen Lebens von den Informationspflichten ausnehmen oder auch weitere Informationspflichten einführen. Von einer europaweit einheitlichen Lösung ist man hier noch weit entfernt.

Detailfragen und praktische Probleme des Rücktrittsrechts werden in der neuen Verbraucherrechte-Richtlinie europaweit einheitlich geregelt. Die vielen verschiedenen Informationspflichten können das Einkaufen im Internet aber komplizierter machen, als es bisher ist. Vieles wird freilich davon abhängen, wie die Mitgliedstaaten die Richtlinie bis Ende 2013 in nationales Recht umsetzen. Erst dann wird man die Frage beantworten können, ob das Verbraucherrecht europaweit harmonisiert oder die Rechtslage eher verkompliziert wurde.

Mag. Katharina Maimer ist
Rechtsanwaltsanwärterin bei
Brandl & Talos Rechtsanwälte.

Auf einen Blick

Verbraucherrechte-Richtlinie. Bis Ende 2013 müssen alle EU-Staaten eine neue Richtlinie umsetzen. Sie regelt primär, aber nicht nur, den Handel mit körperlichen und unkörperlichen (z.B. Software, Musikdateien) Waren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2011)

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