Stenzel: "Über City-Maut nachdenken, ohne gelyncht zu werden"

Ursula Stenzel
Ursula Stenzel(c) Presse (Clemens Fabry)
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City-Bezirksvorsteherin Ursula Stenzel im Interview über ein Jahr rot-grüne Stadtregierung, das Wiener Budget und "Querschüsse aus den eigenen Reihen" bei der Schuldenbremse.

Klubobmann Fritz Aichinger hat unlängst in einem Interview auf die Frage nach der Stimmung in der Wiener ÖVP ein Smiley auf den Tisch gezeichnet. Welches Bild würden Sie zeichnen?

Ursula Stenzel: Soweit ich das sagen kann ist die Stimmung wie bei jedem Neuanfang eine positive.


Direkt nach dem Rücktritt von Christine Marek vor fast drei Monaten war sie nicht sehr positiv, Sie haben damals die Neugründung der Partei angeregt.

Für mich ist die Arbeit im Bezirk wichtig und die Möglichkeit, dass die Menschen sich in einer bürgerlichen Partei wiederfinden. Wenn die ÖVP in Wien die Kraft aufbringt diese Signale zu setzen, kann mir das nur recht sein.


Was ist für Sie das Anforderungsprofil für den neuen Landesparteichef?

Er muss als Person überzeugend wirken, eine Strahlkraft auch nach außen haben, die die Menschen wieder motiviert und ihnen das Vertrauen in die Partei zurück gibt bzw. verstärkt.


Wie ist Ihr Zwischen-Fazit nach einem Jahr Rot-Grün in Wien?

Als erster Bezirk hat man einige Hoffnung in die neue Planungsstadträtin und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou gesetzt, vor allem was das Bewohnerparken betrifft. Doch da hat sich bis jetzt nicht wirklich etwas gerührt. Wenn man im ersten Bezirk in der Früh wegfährt, kann man damit rechnen, dass man bis 22 oder 23 Uhr keinen Platz findet. Der Grund ist unter anderem das SMS-Parken, das de facto zu einer Aufhebung der Kurzparkzone geführt hat, weil es unkontrollierbar ist, wie lange die Leute stehen bleiben.

Umso mehr Energie verwenden die Grünen für die Radfahrpolitik. Das führt zu einer großen Belastung der Bewohner im ersten Bezirk. Viele Radfahrer sind sehr rücksichtslos und halten sich an keine Regeln. Die Radfahrpolitik wird von Vassilakou sehr einseitig betrieben, während die Lösung der Parkplatznot auf sich warten lässt. Auch etwa bei der Oberflächengestaltung des Neuen Marktes wartet der Bezirk noch auf konkrete Maßnahmen.


Eine Entschärfung der Parkplatzsituation erwarten sich die Grünen durch die Erhöhung der Kurzparkgebühren.

Das ist so wie bei der Tabaksteuer: Die Leute hören deshalb nicht auf zu rauchen, und sie werden auch wegen höherer Gebühren nicht aufhören, Auto zu fahren.


Vassilakou hat gerade erst am Donnerstag gesagt, dass sie sich mittelfristig eine City-Maut wünscht. Wäre das eine Lösung des Parkplatzproblems?

Man sollte hier keine Schnellschüsse machen, darüber muss man ernsthaft diskutieren. Man sollte sich anschauen ob es sich anderswo bewährt hat und ob man so eine Belastung den Bürgern auferlegen kann. Zunächst sollte man außerdem das an sich gute öffentliche Verkehrsnetz noch verbessern, bevor man von einer Barriereregelung wie einer Maut spricht. Ich hielte es aber für kurzsichtig, so einen Gedanken total abzulehnen, nur weil er in einer Einzelbefragung der Bevölkerung einmal abgelehnt wurde. Man muss darüber nachdenken dürfen, ohne gleich gelyncht zu werden.


Die Wiener Opposition hat das gerade beschlossene Stadt-Budget wegen der Neuverschuldung stark kritisiert. Wo würden Sie sparen?

Sparpotenziale gibt es wie überall im Bereich der Verwaltung, und auch bei der Spitalsorganisation und bei den Pensionen. Aber das Sparen vermisst man bei Rot-Grün, was kommt sind Tariferhöhungen. Es wurden ja nicht nur die Parkgebühren erhöht, auch Einzelfahrscheine für die Wiener Linien und Tarife für Wasser usw. Der Bürger wird zur Kasse gebeten.


Ihre Partei kritisiert die Neuverschuldung der Stadt, gleichzeitig haben die VP-Bezirksvorsteher aber kürzlich höhere Budgets für die Bezirke gefordert.

Weil man uns zwingt, Schulden aufzunehmen. Der Bezirk als solcher hat zu wenig Mittel, um die Aufgaben zu erfüllen, die ihm aufgetragen werden. Wir schauen ja auf das Budget, aber was soll ich nicht machen? Ich kann nicht Straßen nicht reparieren oder Schulen nicht herstellen. Andererseits werden uns Dinge aufgezwungen, die man einsparen könnte, etwa teure Umbaumaßnahmen hier im Haus.


Im Vergleich zur SPÖ-Alleinregierung - ist die Situation aus Ihrer Sicht durch die grüne Regierungsbeteiligung insgesamt besser oder schlechter geworden?

Die grüne Handschrift ist kaum zu merken. Daher hat sich eigentlich nicht wirklich etwas geändert.


Was halten Sie von einer Solidarabgabe für Spitzenverdiener, wie sie VP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner vorschlägt?

Ich verstehe nicht, dass bei einer an sich so vernünftigen Maßnahme wie der Schuldenbremse so ein Querschuss aus den eigenen Reihen kommt. Solidarabgabe und Vermögenssteuer sind nur Schlagwörter, die unter Umständen kurzfristig gut ankommen. Aber eine vernünftige Politik sollte zunächst einmal das Sparen der öffentlichen Hand als einen Wert ansehen und nicht gleich in klassenkämpferische und populistische Phrasen hineintappen. Das halte ich für nicht konstruktiv.


Nicht nur die Landespartei, auch die Bundes-ÖVP hatte heuer mit Turbulenzen zu kämpfen - Rücktritte, schlechte Umfragewerte. Woran hapert es?

Jede Partei hat heute das Problem, dass es eine gewisse Entfremdung von der Wählerschaft gibt. Was die Rücktritte betrifft, sehe ich darin allein keinen Untergang einer Partei. Es ist eher die Möglichkeit, einen Neuanfang zu setzen.

Zur Person

Ursula Stenzel war 30 Jahre Redakteurin und Moderatorin beim ORF. Von 1996 bis 2006 leitete sie die ÖVP-Delegation im Europäischen Parlament. Seit 2005 ist Stenzel Bezirksvorsteherin des 1. Wiener Gemeindebezirks Innere Stadt.

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