Die erste Parlamentswahl nach dem Sturz von Hosni Mubarak hat begonnen. Bisher verläuft sie friedlich.
Es sind die ersten freien Wahlen in der Geschichte Ägyptens, und die Aussicht auf einen Urnengang ohne Schlägertrupps und gefälschte Stimmzettel hat so viele Wähler mobilisiert wie nie zuvor. Schon zu Beginn der ersten Parlamentswahl seit dem Sturz von Präsident Hosni Mubarak bildeten sich am Montag lange Warteschlangen vor den Wahllokalen.
Viele ältere Ägypter, die aus Resignation über die Allmacht der regierenden Nationaldemokratischen Partei von Mubarak schon seit Jahren nicht mehr wählen gegangen waren, reihten sich in die Schlangen ein. Augenzeugen sprachen von einer "Atmosphäre der Sicherheit", wie es sie früher bei Wahlen nicht gegeben habe. Bis zum Mittag kam es lediglich in einem Wahlbezirk der südlichen Provinz Assiut zu Gewalt, als Angehörige des Stammes eines Kandidaten ein Wahllokal stürmten, weil der Kandidat ausgeschlossen worden war.
Beobachter meldeten, in einigen Wahlbezirken habe die Stimmabgabe nicht pünktlich begonnen, weil die Richter, die dort Aufsicht führen sollten, nicht rechtzeitig erschienen, oder weil Stimmzettel nicht gestempelt waren. Vielerorts verstießen Parteimitglieder gegen das Verbot, vor den Wahllokalen für ihre Kandidaten zu werben.
In Ägypten war die Wahlbeteiligung in der Mubarak-Ära immer sehr niedrig gewesen. Bei der letzten Parlamentswahl 2010 hatte sie offiziell bei 35 Prozent gelegen. Beobachter hatten jedoch damals vermutet, dass diese Zahl geschönt war.
Moslembrüder als Favoriten
Die islamistische Partei der Freiheit und Gerechtigkeit, die Partei der Moslembruderschaft, geht als Favorit in die Wahl. Sie könnte nach Einschätzung unabhängiger Beobachter mehr als 30 Prozent der Stimmen erhalten.
Die Wahl erstreckt sich über rund drei Monate. Die Bewohner von Kairo, Alexandria und sieben weiteren Provinzen geben zuerst ihre Stimmen ab. Dafür haben sie Zeit bis Dienstagabend. Im Dezember und Jänner folgen dann die anderen 18 Provinzen.
Nach jedem Wahlgang ist eine Stichwahl in den Bezirken vorgesehen, in denen kein Kandidat die absolute Mehrheit erreicht hat. Zwei Drittel der insgesamt 498 Mandate sind für Listenkandidaten reserviert. Die restlichen Sitze gehen an Direktkandidaten. Alleine im ersten Wahlgang bewarben sich 2357 Kandidaten um Direktmandate.
Der Wahlkampf war von Protesten gegen das herrschende Militär und von Gewalt gegen Demonstranten überschattet gewesen, die 41 Menschen das Leben kosteten. Auf dem Tahrir-Platz, der das Zentrum der Proteste war, harrten am Wahltag nur noch einige hundert, vorwiegend junge Demonstranten aus.
(Ag.)