Das Euro-Endspiel gewinnt ungeheuer an Dramatik

Die Notenbanken versuchen, den Euro-Flächenbrand mit Fluten an „frisch gedrucktem“ Geld zu löschen. Das wird uns eine heftige Inflation bescheren.

Die weltgrößten Notenbanken schütten in einer global konzertierten Aktion Liquidität in den Mark, um ein Austrocknen des Weltfinanzsystems zu verhindern. Gleichzeitig erodiert in der Eurozone der Widerstand gegen eine direkte Finanzierung der Staaten durch die europäische Zentralbank: Das „Endspiel um den Euro“ gewinnt ungeheuer an Dramatik.

Was sich jetzt abspielt, wird einen unmittelbaren Zusammenbruch des Euro verhindern. Aber es läuft auf einen Staatsschuldenabbau per Inflation hinaus. Direkte Staatsfinanzierung über die Notenpresse hat in der Geschichte immer mit hoher Inflation geendet. Es wird auch diesmal nicht anders sein.

Die Frage ist, ob es überhaupt noch Alternativen gibt. In den vergangenen Tagen und Wochen haben sich ja die Alarmzeichen gehäuft: Die Renditen der meisten Eurostaatsanleihen sind stark gestiegen (was die Lage der hoch verschuldeten Länder dramatisch verschärft), internationale Großinvestoren haben sich reihenweise aus dem europäischen Anleihemarkt verabschiedet, selbst Deutschland ist auf einer Anleihe teilweise sitzen geblieben.

Mit anderen Worten: Niemand, nicht einmal die großen europäischen Kapitalsammelstellen, will europäischen Staaten noch Geld leihen. Schon jetzt ist also die Europäische Zentralbank (EZB) letzter Retter in der Not. Die Euro-Stabilitätshüter sitzen (genau genommen in Verletzung ihrer eigenen Statuten) bereits auf Euroanleihen im Wert von mehr als 200 Milliarden Euro.

Bisher war das kein Problem: Gekauft wurde ausschließlich auf dem Sekundärmarkt, das auf diese Weise in den Kreislauf gepumpte Geld, das lehrbuchgemäß die Inflation anheizen müsste, wurde bei den Banken wieder „eingesammelt“. Diese „Immunisierung“ funktioniert freilich nicht mehr: Am Dienstag dieser Woche hat die EZB bei dem Versuch, 203,5 Milliarden „einzusammeln“, nur 194,2 Milliarden „bekommen“. Etwas mehr als neun Milliarden sind also im Kreislauf geblieben.

Das ist in Relation zu der umlaufenden Geldmenge natürlich ein Klacks. Aber es ist ein Anfang, von dem viele Beobachter glauben, dass er gewollt war: Die EZB habe absichtlich zu mickrige Zinsen (0,62 Prozent) geboten, um einmal die Reaktionen auszutesten. Wenn das stimmt, dann bahnt sich unter dem neuen EZB-Chef Draghi eine deutliche Änderung der Stabilitätspolitik an.

Das Feld dafür wird bereits aufbereitet: Immer mehr europäische Politiker und Wirtschaftsforscher (auch deutsche übrigens) glauben, dass der Euro-Zusammenbruch nur noch abzuwenden ist, wenn die EZB sozusagen unbegrenztes Gelddrucken verspricht (wie es die Notenbanken der USA und Großbritanniens übrigens schon praktizieren).

Alles andere hat sich als unwirksam erwiesen: Rettungsschirme, die irgendwann im kommenden Jahr effektiv werden oder unausgegorene Schuldenbremsen, auf die man frühestens 2017 treten kann, helfen gar nichts, wenn jetzt und heute niemand mehr Eurostaaten zu vernünftigen Konditionen finanziert.

Mit anderen Worten: Die Laviererei der Eurozonen-Politiker hat die gesamte Eurozone aller Sanierungsalternativen beraubt. Jetzt hilft offenbar wirklich nur noch die EZB-„Bazooka“.

Ob einen das freut oder nicht, ob man es für sinnvoll hält oder nicht: Die EZB wird wohl zum „lender of last resort“ werden und die Gelddruckmaschinen anwerfen. Wir werden Eurobonds bekommen, und die EU-Verträge werden, ohne die Wähler lange zu fragen, in Richtung Zentralstaat geändert werden.

Ob das die Rettung ist, wissen wir noch nicht. Was wir wissen, ist, dass wir die Rettung wohl mit sehr hohen Inflationsraten werden erkaufen müssen. Angesichts der wirtschaftlichen Stagnation ist die EU-Inflation mit drei Prozent ja schon jetzt mörderisch hoch. In Österreich wegen der Steuer- und Gebührenorgien von Bund, Ländern und Gemeinden sogar noch ein paar Zehntelprozentpunkte höher.

Hoffen wir, dass bei alledem zumindest Nägel mit Köpfen gemacht werden und die Notenbank keine Hyperinflation entstehen lässt. Denn die „Rettung“ des Euro hilft gar nichts, wenn er dann nichts mehr wert ist.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.