Mehr Mitsprache: Graz, Salzburg als Vorreiter

(c) Clemens Fabry
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In Salzburg soll ein Demokratiepaket mehr Mitbestimmung in punkto Bürgerbeteilung bringen. In Graz wären "Bürgerbefragungen light" bereits möglich.

Salzburg/Graz. Als in Salzburg vor bald 40 Jahren die großen Grünflächen im Süden der Stadt Salzburg verbaut werden sollten, war es ein groß angelegter Aufstand aufgebrachter Bürger, der das verhinderte. Ein Aktivist aus dieser Zeit, der 71-jährige Richard Hörl, ist auch heute sehr aktiv, wenn es um sein Lieblingsthema, die Mitbestimmung der Bürger in ihrer Stadt, geht. Der Pensionist ist einer der Chefverhandler der Bürgerinitiativen, die mit der Stadtpolitik über ein Paket für mehr direkte Demokratie ringen.

Geht alles nach Plan, soll das Paket kurz vor Weihnachten beschlossen werden. Das Salzburger Modell für mehr direkte Demokratie sieht drei Möglichkeiten vor. Auf Stufe eins müssen die Bürger initiativ werden und 1500Unterschriften für ein Anliegen sammeln. Schaffen sie das, können sie einen Antrag an den Gemeinderat stellen. Lehnt die Politik die Wünsche der Bürger ab, können diese die zweite Möglichkeit – die eines Bürgerbegehrens – nützen. Dazu sind 3000Unterschriften nötig. Wird auch das von der Politik negiert, bleibt Stufe drei: eine Bürgerabstimmung. Wie hoch die Einstiegshürde sein soll, ist noch umstritten. Das Ergebnis der Abstimmung wird – so es nicht mit einer Dreiviertelmehrheit im Gemeinderat gekippt wird – bindend sein.

Zu oft haben die Salzburger bei Bürgerbegehren und -befragungen nämlich schon negative Erfahrungen gemacht. Prominentes Beispiel: Als eine Mehrheit der Salzburger gegen eine neuerliche Bewerbung der Stadt um die olympischen Winterspiele stimmte, setzte sich die Mehrheit im Gemeinderat darüber hinweg und stimmte der Kandidatur zu.

Die Stadtpolitik steht den Plänen für mehr Bürgerbeteiligung grundsätzlich positiv gegenüber. Es spießt sich nur mehr an der ÖVP, die möglichst hohe Hürden für die Abhaltung einer Bürgerabstimmung fordert. Wird das Paket noch vor Weihnachten beschlossen, muss sich die Stadt an den Landesgesetzgeber mit dem Wunsch auf Änderung des Stadtrechts wenden. Erst nach einem Beschluss im Landtag kann das Demokratiepaket in Kraft treten.

In Graz sind die Weichen für eine neue Form der Bürgerbeteiligung bereits gestellt. Die Möglichkeit zur Abhaltung einer „Bürgerbefragung light“ wurde vor Kurzem beschlossen. Es sind dafür allerdings mindestens drei Fragen zu verschiedenen Themen notwendig. Um eine entsprechende Beteiligung zu erlangen, wird seitens der Stadt begründet. Die Bevölkerung kann per einfacher Rückantwortkarte, per Online-Voting oder direkt bei den Servicestellen des Magistrats daran teilnehmen. Das Ergebnis soll bei einer Beteiligung eines Drittels der Bevölkerung bindend sein.

Höherer Zeitaufwand

„Der Rahmen steht“, sagt man im Büro von Bürgermeister Siegfried Nagl (VP), der die Idee als Reaktion auf die niedrige Wahlbeteiligung bei der steirischen Landtagswahl 2010 ins Spiel gebracht hat. Tatsächlich zu einer Befragung durchgerungen hat sich die Stadt bis heute nicht, die Grünen drängen aber auf ein Bürgervotum über das geplante Murkraftwerk in Graz-Puntigam.

Bereits vor zwei Jahren hat sich ein eigener Bürgerbeirat gegründet. „Er war nie als Konkurrenz zu schon lange bestehenden Bürgerinitiativen gedacht war, sondern als Ergänzung“, erklärt dessen Sprecher Raimund Berger. Auf Basis umfangreicher Analysen zu diversen Projekten forderte er wiederholt klarere Spielregeln, wann welche Beteiligte mit welchen Informationen versorgt werden müssen. Bis März soll jetzt eine neue Geschäftsordnung derartige Strukturen festschreiben. Bürgerbeteiligung bedeute auch mehr Kommunikationsaufwand, weiß Nagl: „Die Zeit haben wir nicht immer, wir müssen sie uns aber nehmen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2011)

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