Datenschutz: Das Handy liest und hört mit

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Eine heimlich auf Millionen Handys installierte Software kann unter anderem SMS aufzeichnen und selbstständig Audioaufnahmen starten. Offiziell dient das Programm dazu, Netz- und Sprachqualität zu verbessern.

NEW YORK/WIEN/RED. Der Zähler läuft unaufhörlich, so wie die Schuldenuhr der USA: Bei 141 Millionen hielt die Zahl auf der Webseite der Firma Carrier iQ am Freitag an. Sie zeigt die Anzahl der Handys, auf denen eine Software des Unternehmens installiert ist, die kaum jemand kennt.
Das kleine Programm CIQ kann SMS und Anrufe aufzeichnen, Eingaben auf der Tastatur protokollieren, den Standort speichern und selbstständig Audioaufnahmen starten. Und das alles, ohne dass der Besitzer des Handys davon weiß.
Seit ein User das versteckte Programm auf seinem Android-Handy gefunden und ein 17 Minuten langes Video über die Fähigkeiten von CIQ gepostet hat, ist die Aufregung groß.
Das US-Magazin „Wired“ schreibt, dass die Software auf allen in den USA verkauften Android-Handys, auf Geräten der Hersteller Blackberry und Nokia und auch auf dem iPhone vorinstalliert sei. Es gebe keine Möglichkeit, das Programm zu löschen.

Die Software schreibt mit

Offiziell dient die Software laut einer Stellungnahme von Carrier iQ gegenüber „Wired“ dazu, „das Service der Telefonhersteller und der Provider“ zu verbessern. Dabei gehe es nur um die Sprachqualität und die Netzwerkstabilität. „Wir sammeln Informationen über abgebrochene Gespräche, über schwache Signale, über die Laufzeit der Batterie und warum Apps abstürzen.“ Sonst verwende man keine Daten.
Doch das Video von Trevor Eckhart zeigt, dass das Programm weitaus mehr macht. Die Software schreibt mit, wonach Eckhart im Internet sucht, jede Nummer, die er wählt, wird aufgezeichnet. Alle Informationen würden im Hintergrund heimlich an die Computer von Carrier iQ geschickt, behauptet Eckhart, der das – im Gegensatz zu den Aufzeichnungen – im Video aber nicht nachweisen kann.
In den USA räumten AT&T und Sprint am Freitag offiziell ein, dass sie auf Dienste von Carrier iQ zurückgreifen. Man habe aber keine sensiblen oder privaten Daten gesammelt. Der größte amerikanische Mobilfunkbetreiber Verizon Wireless ist kein Kunde.
Obwohl es anfänglich hieß, nur US-Geräte würden mit dem Programm ausgeliefert werden, will das deutsche Magazin „Chip“ laut seiner Internetseite Dateien der Software auch auf einem Galaxy Tab P1000 gefunden haben. In Österreich erklärten T-Mobile und Orange, man habe von dem Programm bisher nichts gehört, man untersuche die Vorwürfe. Von A1 war niemand für eine Stellungnahme erreichbar.

Orange: Nicht verwendet

Orange schloss dezidiert aus, dass CIQ auf irgendeinem Handy installiert sei, das vom Netzbetreiber selbst hergestellt wurde. „Wir machen so etwas nicht“, sagte Sprecher Tom Tesch.
In Deutschland betonten Telekom und Vodafone, nicht mit dem Unternehmen zusammenzuarbeiten. Nokia, LG und Sony Ericsson versicherten ebenfalls, CIQ nicht zu nützen. Apple veröffentlichte in den USA am Freitag eine Stellungnahme, in der es hieß, man habe das Programm in der Vergangenheit „in einem Diagnosemodus“ verwendet. Von dem neuen Betriebssystem iOS5 werde Carrier iQ nicht mehr unterstützt.
Mit den Dementis ist es nicht getan. US-Senator Al Franken forderte Carrier iQ, Netzbetreiber und Hersteller auf, bis Mitte Dezember detaillierte Informationen vorzulegen.
Nicht zum ersten Mal sorgen spionierende Handys für Aufregung: Im Frühjahr wurde bekannt, dass das iPhone Bewegungsprofile anlegt – also aufzeichnet, wo sich der Nutzer aufhält.

Auf einen Blick

Carrier iQ ist auf mehr als 140 Millionen Handys weltweit installiert. Laut Auskunft des Herstellers dient das Programm dazu, Informationen zu sammeln, um die Sprach- und Netzwerkqualität zu verbessern. Der Sicherheitsexperte Trevor Eckhart postete auf YouTube ein Video, das zeigt, dass das Programm weitaus mehr macht.

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