Der türkische Außenminister fordert von Deutschland Taten gegen rechte Gewalt. Nach den schleppenden Ermittlungen ortet er "Fehler im System".
Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu hat von Deutschland entschiedenes Vorgehen gegen rechtsextreme Gewalt gefordert. "Wir glauben den deutschen Erklärungen - aber wir haben diese auch nach der Katastrophe in Solingen gehört", sagte Davutoglu am Freitag in München angesichts der nun offenbar aufgeklärten Neonazi-Mordserie an neun Migranten und einer Polizistin. Er bezog sich dabei auf den Solinger Brandanschlag auf das Wohnhaus einer türkischen Familie, bei dem Neonazis im Mai 1993 fünf Mädchen und Frauen getötet und 14 Menschen zum Teil schwer verletzt hatten.
"Das ist womöglich die goldene Gelegenheit, um Bilanz zu ziehen, damit sich so etwas nie wieder wiederholt", sagte der Minister in einer Rede vor Hunderten türkischstämmiger Menschen in München. Davutoglu traf Angehörige der bayrischen Opfer der Mordserie, die sich quer über die Republik erstreckte. In Bayern gab es drei Neonazi-Morde in Nürnberg, zwei weitere ereigneten sich in München.
Der Minister sagte den Familien die volle Unterstützung der Türkei zu. Er sprach von ihnen als Helden, die über Jahre nicht nur mit dem Verlust, sondern zum Teil auch mit schweren Anschuldigungen hätten leben müssen. "Diese Familien sind sehr stark", sagte Davutoglu.
Minister kritisiert "Fehler im System"
Davutoglu kritisierte, dass erst ein Zufall den rechtsextremen Hintergrund der Morde ans Tageslicht gebracht habe. "Da muss es auch Fehler im System geben." Die Morde einer terroristischen Vereinigung seien nicht nur eine Gefahr für die türkischstämmige Bevölkerung in Deutschland. "Das ist eine Gefahr für ganz Deutschland, für Europa, für die Menschheit insgesamt", sagte Davutoglu.
Bei einem kurzen Gespräch im Münchner Maximilianeum drückte die bayerische Landtagspräsidentin Barbara Stamm Davutoglu ihr tiefes Bedauern über die Anschläge aus und versprach, alles zu tun, damit sich solche Verbrechen nicht wieder ereignen. Ein Schritt dazu sei der feste Vorsatz, ein zweites Mal vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei NPD anzustrengen.
Der türkische Minister ist seit Donnerstag zu einem mehrtägigen Besuch in Deutschland. Vor seinem Stopp in München besuchte er Verwandte der Opfer in Hamburg und Hessen. Es sollten Besuche in Köln und Berlin folgen.
Auch Innenminister kommt nach Deutschland
Nach dem türkischen Außenminister kommt am Samstag auch der türkische Innenminister Idris Naim Sahin nach Deutschland. In Nordrhein-Westfalen will er türkische Einrichtungen in Köln, Hamm und Duisburg besuchen. Das teilte das türkische Generalkonsulat am Freitag in Hürth mit.
In Köln besucht Sahin Geschäftsleute aus der Keupstraße, wo 2004 bei einem Nagelbomben-Anschlag 22 Menschen verletzt wurden. Der Anschlag soll auf das Konto der Rechtsterroristen aus Zwickau gehen. Außerdem steht ein Besuch auf der Baustelle der neuen Kölner Zentralmoschee auf dem Programm. Der Rückflug ist noch für den Abend geplant.
(APA)