Wie weit darf TV-Satire gehen?

Soll man Typen wie Moderator Jeremy Clarkson vor laufender Kamera foltern, wenn sie zu frech werden?

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Die Sache ist klar. Der Mann ist zu weit gegangen. Er muss weg. Oder? Jeremy Clarkson ist ein fantastischer TV-Präsentator, ein konservativer Kotzbrocken und ökologisch gar nicht korrekt. Er ist Brite. Jetzt hat er sich auch noch in die Politik gemischt. Das liest sich im Standard so: „Entgleisung: BBC-Moderator würde Streikende erschießen lassen“, schreibt Rubina Möhring im Blog und enthüllt Ungeheuerliches. „Großbritannien kommt nicht zur Ruhe“, eröffnet sie: „Erst der Generalstreik, nun ein neuer Medienskandal, der seinesgleichen sucht.“

Was war geschehen? Clarkson hatte als Gast von „The One Show“ am 30.11. gemeint, er würde die Streikenden des öffentlichen Dienstes „an die Wand stellen und vor den Augen ihrer Familie erschießen“. „Eine unglaubliche These“, findet Möhring und wirft dem Mann noch Schlimmeres vor. Er ist Millionär, und er ist mit Premier David Cameron verbunden. Soll man Clarkson also teeren, federn, aus der BBC werfen? Vielleicht wäre es doch angebracht, zuvor genauer hinzuhören, was der Moderator von „Top Gear“ wirklich gesagt hat. Seine zynische Werbeshow handelt zwar an sich von Autos, aber sie ist auch deshalb weltweit so erfolgreich, weil Clarkson den vertrottelten Reaktionär spielt und politisch mindestens so unkorrekt ist wie Harald Schmidt oder Ster- und Grissemann. Der Mann würde rhetorisch mit jedem Monster-Truck einen Rad fahrenden Sozialisten oder vielleicht sogar einen selbstmörderischen Pudel überfahren.


The One Show hat ihn allerdings nicht nach der Wirkung von Scheibenbremsen, sondern nach den Streiks befragt. Was bei Möhring nicht steht, ist der erste Teil der Antwort: Er finde die Streiks „fantastisch, absolut“, sagt Clarkson. „London war leer, die Leute sind daheim geblieben, man konnte herumsausen, die Restaurants waren leer.“ Dann fügte er sarkastisch hinzu, dass man bei der BBC ausgewogen sein müsse. Erst nachdem er sich so über die eigene Anstalt lustig gemacht hat, kommt die irre Passage übers Erschießen, und er schließt mit dem Satz: „Ich gebe euch also zwei Meinungen.“

Man tut sich leicht mit dem Urteil, wenn man nur eine hören will. Oder gar keine. Labour-Chef Ed Milliband sagte zur Causa auf SkyNews: „Ich habe diese Bemerkungen nicht gehört, aber sie sind absolut schändlich und abscheulich.“ Die BBC und Clarkson haben sich inzwischen entschuldigt. Die Gewerkschaften haben ihn eingeladen, einen Arbeitstag im Krankenhaus zu verbringen.

norbert.mayer@diepresse.com DiePresse.com/mediator

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2011)

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