Kosovo: Einigung im Grenzstreit nach EU-Druck

(c) EPA (VALDRIN XHEMAJ)
  • Drucken

Trotz Erfolgen am Verhandlungstisch zwischen Serben und Kosovaren bleibt die Situation gespannt. Die Sperre in Jagnjenica wurde wieder aufgebaut. Grenzposten im Nordkosovo unter Überwachung der EU-Polizei.

Es war eine Einigung in allerletzter Minute, die wohl nur wegen des äußeren Drucks zustande kam: Kurz vor der Entscheidung der Europäischen Union über den Status Serbiens als Beitrittskandidat hat das Land mit dem Kosovo einen Kompromiss im seit Monaten schwelenden Grenzkonflikt erzielt: Am Samstag vereinbarten die Regierungen beider Staaten in Brüssel, dass die umstrittenen Grenzposten im Nordkosovo an der Grenze zu Serbien gemeinsam, unter Überwachung der EU-Polizei- und Justizmission Eulex, kontrolliert werden.

Der serbische Präsident Boris Tadić erklärte am Samstag, dass es eine Lösung gebe: „Wir haben zugestimmt.“ Er forderte die im Nordteil des Kosovo lebenden Serben auf, dem Abkommen zuzustimmen. Diese sträubten sich bis zuletzt gegen eine Einigung. Uneinig sind sich die Verhandler auch noch darüber, ob die Zöllner Serbiens und des Kosovo tatsächlich gleichberechtigt arbeiten werden.

Nach wie vor Straßensperren

Im Kosovo selbst war am Wochenende von Entspannung noch wenig zu spüren. „Politische Verhandlungserfolge wirken sich nicht unmittelbar auf die Situation im Nordkosovo aus“, sagt Oberstleutnant Franz Pirker. Er kommandiert seit einer Woche die „Operational Reserve-Units“ der internationalen Kosovo-Schutztruppe Kfor und ist direkt an den Straßensperren der Serben eingesetzt.

Erst vor einer Woche wurden bei der Räumung der Straßensperre bei Jagnjenica zahlreiche seiner Soldaten aus Deutschland und Österreich verwundet. Sieben verletzte Bundesheersoldaten mussten nach Linz ausgeflogen werden. Korporal Klaus Seifriedsberger, Panzergrenadier aus Ried, wurde bei der Straßenschlacht von einem Stein am Kopf getroffen. Er wurde nur leicht verletzt und bleibt im Einsatz.

Die Aufgabe des Oberösterreichers als sogenannter „Greifer“ ist es, Demonstranten, die die Reihen der Kfor durchbrochen haben, zu verhaften und der Militärpolizei zu übergeben. „Ich habe nur einen Augenblick zur Seite geblickt, da hat mich der Stein schon getroffen“, schildert Seifriedsberger, der ein blaues Auge hat. „Ich hoffe, den Kameraden, die es schlimmer erwischt hat, geht's schon besser.“

Ursprünglich sei die Räumung der Straßensperre ohne Probleme erfolgt. Innerhalb von 45 Minuten versammelten sich um neun Uhr Früh zahlreiche Männer und griffen die Soldaten an. Die Straßenschlacht sollte bis in die Nacht dauern. Um Schüsse aus Handfeuerwaffen zu verschleiern, beschallten die serbischen Demonstranten die Straßensperre per Lautsprecher mit Schussgeräuschen und warfen Feuerwerkskörper. „Da heißt es Ruhe bewahren. Wir sind gut vorbereitet und haben mit Ausschreitungen gerechnet. Eine Auseinandersetzung, die den ganzen Tag dauert, kann man aber schwer trainieren“, sagt Seifriedsberger, der hier seinen ersten Auslandseinsatz absolviert.

Die Kfor-Soldaten setzten ihrerseits Gummigeschosse und Tränengas ein und standen kurz davor scharf zu schießen. Die Anspannung ist noch heute spürbar. Die geräumte Straßensperre wurde nur 15 Meter entfernt wieder aufgebaut und wird rund um die Uhr von Serben besetzt.

Gegen den „scheiternden Staat“

An der Barrikade und im serbischen Teil Mitrovicas hört man freilich eine andere Version der Geschichte. „Mit den Straßensperren zeigen wir der internationalen Gemeinschaft, dass wir nicht ein Teil Kosovos sein wollen. Wer will schon Teil eines scheiternden Staates sein“, verteidigt etwa Miloš Subotić die serbischen Aktionen im Kosovo.

Subotić ist Leiter des internationalen Büros der serbischen Universität in Mitrovica und sieht in den Straßensperren das letzte demokratische Werkzeug, um auf die Situation aufmerksam zu machen. Die Ausschreitungen bezeichnet er als Folge von Aktion und Reaktion. Als die Kfor begann, die Straßensperren zu zerstören, habe man sich wehren müssen.

Dass sich die Lage im Nordkosovo so schnell nicht entspannen wird, zeigt auch die Straßensperre im Zentrum Mitrovicas. Unter Beobachtung italienischer Carabinieri blockieren serbische Demonstranten rund um die Uhr die Brücke, die den serbischen und albanischen Teil der Stadt verbindet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

SERBIA KOSOVO ROAD BARRICADE
Außenpolitik

Kosovo-Serben lehnen Grenzabkommen ab

Die Serben im Nordkosovo fürchten, bald in einem souveränen Staat Kosovo zu leben. Barrikaden sollen weiterhin den Verkehr lahm legen.
SERBIA KOSOVO PROTEST
Außenpolitik

Serbien bestätigt Einigung im Kosovo-Grenzkonflikt

Serbien hat dem Lösungsvorschlag der EU nach weiteren Zugeständnissen zugestimmt. Einige Stunden zuvor hatte noch das "I-Tüpfelchen" gefehlt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.