Dem Chef des Staatsschuldenausschusses ist die Anhebung "zu hoch". In Oberösterreich gibt es Streikdrohungen wegen Einsparungen.
Wien/Linz/Ett/Apa. Nach der Einigung zwischen der Bundesregierung und den Spitzen der Gewerkschaften Öffentlicher Dienst und Gemeindebedienstete über eine gestaffelte Erhöhung der Gehälter um im Schnitt 2,95 Prozent im kommenden Jahr war das große Rechnen im Gang. Nach Angaben des Beamtenministeriums wird damit bei 60Prozent, also sechs von zehn Mitarbeitern, im Bundesdienst die Inflationsrate von 2,95 für den Berechnungszeitraum ausglichen.
Konkret macht die Erhöhung, wie in einem Teil der Montagsausgabe berichtet, für die einzelnen Vertragsbediensteten und Beamten (auch für Pflichtschullehrer) zwischen 2,68Prozent bei höheren Bezügen und maximal 3,36Prozent aus. Die Anhebung gilt ab 1.Februar 2012. Die Inflationsrate wird genau bei einem monatlichen Bruttogehalt von 3007 Euro abgegolten. Laut Beamtengewerkschaft dürften damit alle Beschäftigten ohne Matura eine Gehaltserhöhung über der Inflationsrate erhalten sowie rund die Hälfte der Bundesbediensteten mit Matura (Fallbeispiele siehe Grafik unten).
„Kein gutes Beispiel für Sparwillen“
Regierung und Gewerkschafter zeigten sich mit der vereinbarten Gehaltserhöhung, die im Bundesbudget Mehrkosten von knapp 280 Millionen Euro zur Folge hat, zufrieden. Der Vorsitzende des Staatsschuldenausschusses, Bernhard Felderer, äußert im Gespräch mit der „Presse“ scharfe Kritik: „Von Zufriedenheit kann man nicht reden.“ Der Abschluss sei „kurz gesagt zu hoch“.
Angesichts der notwendigen Sparpakete zur Eindämmung der Staatsschulden sei dieser Lohnabschluss der Situation der Bundesregierung als Arbeitgeber „nicht angemessen“, so Felderer. Und weiter: „Für den Sparwillen, den man von der Bevölkerung erwartet und dieser abnötigt, ist das kein gutes Beispiel.“ Unter Einrechnung der Vorrückungen (Biennien, Anm.) liege der Abschluss weit über dem, was in Europa üblich sei. Dort gebe es in mehreren Ländern Nulllohnrunden oder sogar Kürzungen. Österreichs öffentlich Bedienstete müssten sich in den kommenden Jahren ebenfalls auf Einsparungen und „bescheidene Abschlüsse“ einstellen.
Einsparungen bringt die am Sonntagabend ebenfalls vereinbarte Streichung der Jubiläumszuwendungen von vier Monatsgehältern bei Frühpension nach 35 Dienstjahren. Im Vorjahr gab es rund 1000 Fälle im Bund. Die Regierung rechnet mit rund 30 Millionen Euro Ersparnis. Die Jubiläumszuwendung nach 40 Dienstjahren (vier Monatsgehälter) bleibt bestehen, ebenso jene nach 25 Jahren (zwei Monatsgehälter).
In den Bundesländern wird der Gehaltsabschluss für Landes- und Gemeindebedienstete nicht automatisch übernommen, auch wenn der Chef der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten, Christian Meidlinger (SPÖ), die Einigung mit der Bundesregierung mitverhandelt hat. In Oberösterreich spitzte sich die Situation am Montag zu, weil dort der Landtag bereits beschlossen hat, dass die Erhöhung für Landes- und Gemeindebedienstete um einen Prozentpunkt unter jener auf Bundesebene liegt.
Demo in Linz: „Dann rennt nichts mehr“
Vor dem Landhaus in Linz kam es Montagfrüh zu Protesten der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten mit Meidlinger. Es gab ein Pfeifkonzert, Streikdrohungen lagen in der Luft: „Wenn wir wollen, dann rennt nichts mehr.“ Die laut Polizei rund 2500 Demonstranten – die Veranstalter zählten mehr als 4000 – traten mit Taferln wie „Nein zum Gehaltsklau“ und „Wir sind nicht schuld an der Krise“ auf und forderten Verhandlungen mit der Landesregierung. Vizelandeshauptmann Franz Hiesl (ÖVP) bekräftigte später, es bleibe bei einem Prozentpunkt weniger als im Bund. Dies wären 1,95 Prozent.
Auch in der Steiermark fordert die Gewerkschaft eine Erhöhung wie im Bund. Die geplante Nulllohnrunde für Landes- und Gemeindebedienstete sei „inakzeptabel“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2011)