Westbahn erwartet Gewinne für 2012

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Westbahn-Chef Stefan Wehinger glaubt an eine 40-prozentige Auslastung seiner Züge. Sauer ist er auf ÖBB-Chef Christian Kern. Ihm wirft er „übelste Polemik“ vor.

Die Presse: Am Sonntag beginnt die Westbahn mit dem Fahrbetrieb. Werden Sie auch die Züge der ÖBB auf Ihrer Homepage anpreisen?

Stefan Wehinger: Was ist denn das für eine unsinnige Frage? Wer so etwas fragt, hat das Gerichtsurteil rund um den ÖBB-Fahrplan Scotty nicht verstanden.

Sie zwingen die ÖBB dazu, die Westbahn in die Fahrplanauskunft der Bundesbahnen aufzunehmen. Warum nicht auch umgekehrt?

Moment, Moment. Die ÖBB hat sich entschieden, ein Fahrplan-Tool namens Scotty für ganz Österreich anzubieten. Dort werden alle öffentlichen Verkehrsmittel des ganzen Landes angezeigt. Jeder Skibus im Zillertal ist darin enthalten. Die ÖBB müssen sich entscheiden: Entweder werden alle aufgenommen, also auch wir. Oder eben die anderen auch nicht. Aber jetzt uns die Schuld zu geben, dass ein ordentliches Gericht ein ordentliches Urteil gefällt hat, das ist übelste Polemik, die Herr Kern (ÖBB-Chef Christian Kern, Anm.) momentan betreibt.

Die Inlandsflüge der Austrian Airlines sind im Scotty auch nicht enthalten.

Das ist etwas anderes. Beim Fahrplansystem Scotty geht es um den Verkehr, der auf staatlich subventionierter Infrastruktur unterwegs ist, also auf Straße und Schiene. Fluglinien zählen da nicht dazu.

Werden Sie dafür bezahlen, um im Fahrplan der ÖBB aufzuscheinen?

Gerne. Wenn alle anderen auch dafür bezahlen, dann sehr gerne.

Sie fordern auch die gegenseitige Anerkennung von Tickets. ÖBB-Kunden, die ihre Karten am Schalter von ÖBB-Mitarbeitern gekauft haben, sollen so in die Westbahn gelockt werden. Wo bleibt denn da der Wettbewerb?

Die ÖBB sind ein marktbeherrschendes Unternehmen mit 95 Prozent Marktanteil. Jetzt kommt es zur Marktöffnung, es wäre gut für den Kunden, wenn er beide Tickets auf beiden Verkehrsträgern verwenden könnte. Die Infrastruktur in den Bahnhöfen ist staatlich subventioniert, sie wird von den ÖBB verwendet. Eine gegenseitige Anerkennung wäre nur fair.

Wie viel wären Sie bereit zu bezahlen für die Verkaufsleistung der ÖBB?

Die ganz normalen Provisionen für derartige Verkaufsleistungen. Das sind üblicherweise sieben Prozent, aber auch zehn Prozent sollen mir recht sein.

Die ÖBB werden immer wieder als viel zu bürokratisch kritisiert. Ihr Vorschlag der gegenseitigen Anerkennung von Tickets wird die Bürokratie im Bahnbetrieb nicht gerade reduzieren.

Wir haben ein elektronisches Abrechnungssystem. Wir sind vorbereitet, damit wäre das ganz einfach täglich möglich. Man muss es nur wollen. Aber die ÖBB wollen es schlicht und einfach nicht, obwohl es das Bahnfahren für den Kunden vereinfachen würde.

Weitere Konflikte mit den ÖBB sind also programmiert. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Schlichtungsstelle Schienen-Control. Deren neue Chefin, Maria-Theresia Röhsler, kommt direkt aus dem Kabinett von Verkehrsministerin Doris Bures.

Das hinterlässt eine furchtbar schiefe Optik. Aber ich habe Frau Röhsler diese Woche getroffen, und sie hat mir zugesichert, objektiv und neutral an die Sache heranzugehen. Es war ein nettes Gespräch mit einer erfahrenen Juristin. Aber die Leute interessieren diese juristischen Streitigkeiten zwischen ÖBB und uns doch ohnehin nicht. Die interessiert, ob der Kaffee warm und das Häusl sauber ist.

Wie sehen denn Ihre Pläne für die ersten Jahre aus? Ab wann wollen Sie auf anderen Strecken als der Westbahn fahren?

Wir können nur dort fahren, wo es keine Subventionen gibt. Das ist im Moment nur auf der Westbahn der Fall. Wir können weitere Strecken also nur bedienen, wenn diese ausgeschrieben werden. Darauf hoffen wir möglichst bald. Sollte es so weit kommen, dann werden wir uns mit Sicherheit bewerben.

Viele Beobachter sagen, so weit wird es nicht kommen. Mit der Westbahn werde es schnell wieder vorbei sein. Zu übermächtig sei der staatliche Gegner ÖBB, zu viele Steine werde Ihnen die Politik in den Weg legen.

Das hätte ich vor drei Jahren auch noch gedacht. Ich muss aber sagen, dass wir mit jenen ÖBB-Mitarbeitern, die sich im Eisenbahngeschäft auskennen, überhaupt keine Schwierigkeiten haben. Probleme haben wir mit den ganzen Theaterwissenschaftlern und den Kommunikatoren.

Zu welcher Kategorie zählen Sie ÖBB-Chef Christian Kern?

Zur Letzteren. Das ist eben eine Art des Umgangs, da geht es auch um Selbstdarstellung. Aber mit den Profis haben wir kein Problem.

Wie sehen Ihre Planzahlen für das erste Jahr aus? Können Sie mit einem Ticketpreis von 23,80 Euro für die Strecke Wien–Salzburg überleben?

Natürlich. Sonst würden wir es nicht machen. Wir sind kein Wohltätigkeitsunternehmen. Die nun angebotenen 7,50 Euro sind aber nicht kostendeckend. So wollen wir Marktanteile gewinnen.

Wie viele Passagiere müssen Sie zum Normalpreis von 23,80 Euro transportieren, um Gewinne zu erzielen?

Wir fahren 13 Mal täglich in jede Richtung, also 26 Mal. Wir haben 501 Sitzplätze pro Zug, dazu einige Stehplätze. Theoretisch können wir also täglich rund 15.000 Passagiere befördern. Mit einer Auslastung von 40Prozent sind wir auf der sicheren Seite. Und ich erwarte, dass wir diesen Wert sehr schnell erreichen werden.

Schon im ersten Jahr?

Ja. Wir werden im ersten Jahr einen operativen Gewinn schreiben. Und innerhalb der ersten fünf Jahre wollen wir die Anfangsinvestitionen in Höhe von 130 Mio. Euro eingenommen haben.

Auf einen Blick

Stefan Wehinger ist der Chef der Westbahn, die ab Sonntag als erste Privatbahn den ÖBB auf der Strecke Wien–Salzburg Konkurrenz machen wird. Der 45-Jährige war von 2004 bis 2008 Vorstand des Personenverkehrs der Bundesbahnen. Er stammt aus Vorarlberg und ist promovierter Physiker.

Die Westbahn beschäftigt 200 Mitarbeiter. Die Investitionen beliefen sich auf 130 Mio. Euro. Wehinger hält 26Prozent, ebenso wie Hans Peter Haselsteiner und die französische Staatsbahn SNCF.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2011)

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