Oxford, Berkeley, Boko Haram und das göttliche Licht

Die Bibel galt als Quelle von Weisheit und Wissenschaft, ihre Weltoffenheit inspirierte auch Protagonisten der Aufklärung.

Oxford steht mit seiner bald 1000-jährigen Geschichte höherer Bildung für akademische Ernsthaftigkeit. Wer in der ehrwürdigen Bodleian Library oder im barocken Kuppelbau der Radcliffe Camera arbeitet, ist von ehrfürchtiger Stille umgeben. Das Logo der Oxforder Universität zeigt ein offenes Buch, in dem zu lesen ist: „Dominus illuminatio mea“, lateinisch für: „Der Herr ist mein Licht“.

Dies ist der Beginn des 27. Psalms, in dem David trotz aller Gefahren Furchtlosigkeit zum Ausdruck bringt, da er sich vom Licht der göttlichen Gegenwart begleitet weiß. „Mein Herz denkt an dein Wort: ,Sucht mein Angesicht!‘ Dein Angesicht, Herr, will ich suchen.“ Im mittelalterlichen Wissenschaftsverständnis waren die Erforschung des Universums und die Suche nach dem alles erschaffenden Gott untrennbar verbunden.

Die University of California in Berkeley hingegen entwuchs dem kalifornischen Goldrausch. Sie wurde erst 1868 gegründet und gilt als eine der liberalsten akademischen Institutionen der USA. Berkeley rühmt sich seiner 70 Nobelpreisträger, der 16 dort entdeckten chemischen Elemente und der über 100 olympischen Medaillen seiner Athleten.

Wer sich ein T-Shirt der Universität als Souvenir kauft, liest als Motto: „Let There Be Light.“ Dies sind die ersten Worte der göttlichen Stimme in der Schöpfungserzählung der Genesis. Wenn eine naturwissenschaftlich exzellente Universität die biblische Schöpfung zitiert, setzt dies eine aufgeklärte Interpretation der Bibel voraus. Und dies zu Recht. Denn schon die biblische Schöpfungserzählung geht über eine bloß naturwissenschaftliche Erklärung des Universums hinaus, indem sie die Gabe des Lichts als Inbegriff göttlicher Gegenwart in der Welt, als Metapher für alles, was Einsicht, Begegnung und Leben vermittelt, allem Weiteren voranstellt.

»Wer in der Finsternis geht, weiß nicht, wohin er gerät.

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Joh 12,35

Die Bibel galt nicht nur der christlichen und jüdischen Tradition des Mittelalters und in der frühen Neuzeit als Quelle von Weisheit und Wissenschaft, sondern ihre Weltoffenheit inspirierte auch Protagonisten der Aufklärung, die sich nicht gegen die Bibel, sondern gegen ihre buchstäbliche Interpretation wandten.

Es darf daher nicht verwundern, wenn fundamentalistische Bewegungen gerade die Wissenschaft attackieren. Die islamistische Terrorgruppe in Nigeria etwa, die heuer schon mehr als 300 Menschen ermordet hat, nennt sich „Boko Haram“ – übersetzt: „Westliche Bildung ist Sünde“.

Wissenschaftler fühlen sich in einer Bibliothek zuhause, sei sie in Oxford, Berkeley, London oder Wien. In allen großen Bibliotheken bewahrt die Bibel ihren Ehrenplatz, da sie von der Freude der Wissenschaft spricht, vom göttlichen Licht, das die Welt seit dem ersten Tag der Schöpfung erleuchtet. Welche Erkenntnis erhellt meinen heutigen Tag?

Bimail steht für Bibelmail, ein wöchentliches Rundschreiben des Teams um Pater Georg Sporschill, adressiert an Führungskräfte. Darin werden Lehren aus der Bibel auf das Leben von heute umgelegt.


E-Mails: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2011)

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