"Gestiefelter Kater": Lukrativer Betrug mit Gütesiegel

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700.000 Tonnen Lebensmittel wurden in Italien fälschlich als bio etikettiert. Die Polizei spricht von einem "beeindruckend komplexem Betrugssystem". Nicht zuletzt die Camorra verdient damit bestens.

Rom. Die Ermittlungen der Finanzpolizei im norditalienischen Verona tragen den harmlosen Decknamen „Gestiefelter Kater“. Dahinter verbirgt sich einer der größten Betrugsskandale um Lebensmittel mit dem begehrten „Bio“-Etikett. Sieben Verdächtige sitzen bereits in Haft, weil sie 2007 bis 2010 insgesamt 700.000Tonnen Lebensmittel mit gefälschten Zertifikaten verkauft haben sollen, Gegenwert etwa 220Millionen Euro. Weitere Verhaftungen dürften folgen.

Gerade in Italien boomt das Geschäft mit Bioprodukten und damit der Export in Nachbarländer. „Das ist ein beeindruckend komplexes Betrugssystem mit enormen Gewinnspannen“, sagte ein Polizeisprecher. Eine Gesundheitsgefährdung für die Verbraucher bestehe aber nicht.

Laut den Ermittlungen, die seit Jahren laufen, sollen die Betrüger die Grundbestandteile für ihre Produkte wie zum Beispiel Soja billig aus dem Ausland importiert haben, vor allem aus Rumänien. Dort soll sogar eine eigene Firma gegründet worden sein, um das Geschäft reibungslos abzuwickeln. Mittels gefälschter Papiere wurden die Lebensmittel wie Getreide, Mehl und Obst als „ökologisch“ deklariert und über Großhändler innerhalb Italiens, aber auch nach Deutschland oder Österreich zu deutlich höheren Preisen weiterverkauft.

Unter den Verhafteten sind nicht nur die Chefs der Firmen Sunny Land, Sona, Bioagri, La Spiga und Bioecoitalia. Wie in allen großen italienischen Betrugs- und Korruptionsskandalen waren auch sie auf Mithilfe angewiesen. Festgenommen wurden daher auch zwei Mitarbeiter von Suolo e Salute, der größten italienischen Zertifizierungsstelle für Bioprodukte. So groß in den Nachbarländern die Empörung ist, in Italien selbst hat der Skandal bisher kaum Beachtung gefunden. Auch die betroffenen Firmen haben bisher keinerlei Erklärung abgegeben. Suolo e Salute dagegen betonte, dass die Verhafteten seit 2010 nicht mehr für die Firma arbeiteten und dass man in den Ermittlungen eng mit der Polizei kooperiert habe.

Bio-Umsatz in zehn Jahren verdreifacht

Viele Italiener haben nach der Präsentation des Sparpakets von Premier Mario Monti zudem andere Sorgen. Dabei werden Bioprodukte in Italien immer beliebter, nirgendwo sonst in Europa gibt es so viele Biobetriebe. Jeder zweite Italiener kauft bereits Biolebensmittel, der Umsatz ist in den vergangenen zehn Jahren auf drei Milliarden Euro angewachsen. Besonders beliebt sind biologische Mozzarelle und andere Käse, aber auch bei Pasta und Milch achten immer mehr Italiener auf das Etikett. Gleichzeitig wächst der Betrug mit Bioprodukten stark an – nicht zuletzt die Camorra, die neapolitanische Mafia, verdient damit bestens.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2011)

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