Nein, ein „historischer Erfolg“ war das Treffen in Durban nicht. Aber es ist Anlass zur Hoffnung. Katastrophenrufe werden die Erderwärmung jedenfalls nicht stoppen.
Was soll denn bei einem Gipfel zur Erderwärmung herauskommen – in einer Zeit der hitzigen Wirtschafts- und Finanzkrise? Welche Chance haben die von Umweltschützern prophezeiten „Klimakatastrophen“ gegen die viel akuteren Nöte der von Schulden und Zinsen erdrückten Staaten? Man musste kein besonderer Zyniker sein, um für den Klimagipfel von Durban ein Ende ohne Ergebnis vorherzusagen. Den Menschen ist das Hemd näher als der Rock, und den Staaten ist ihr Schuldenstand näher als die CO2-Emissionen, die irgendwann einmal in der Zukunft (wenn die aktuelle Regierung längst Geschichte ist) böse Folgen haben sollen...
Und doch ist etwas bei diesem langen Gipfel herausgekommen, und dass das nicht nur Augenauswischerei ist, dafür spricht, wie zäh bis zum Schluss gestritten wurde. Gewiss, grandiose Formulierungen wie „historische Konferenz“ oder „Entscheidung für das Leben“ sind übertrieben und wohl der Übermüdung der Gipfelteilnehmer zuzuschreiben. Aber dass alle Länder – auch China, auch Indien – sich im Prinzip bereiterklären, ihre CO2-Emissionen zu senken, ist ein Fortschritt. Auch, weil europäische Politiker damit ihrer Ausrede beraubt sind, dass europäische Maßnahmen ohnehin keinen Sinn hätten, weil die Entwicklungsländer nicht mitmachen.
Zu erwarten waren freilich auch die enttäuschten Reaktionen der Umweltorganisationen – und ihr Pathos. Natürlich müssen sie jetzt erst recht von „Katastrophen“ reden, auf die wir „zusteuern“. Man darf sich aber ernsthaft fragen, ob diese apokalyptische Rhetorik der Sache nicht eher schadet als nützt. Denn genauso, wie den Menschen Entscheidungen mit langfristigen Folgen sehr schwerfallen, neigen sie dazu abzustumpfen, wenn sie allzu oft alarmiert werden, wie ein Feuerwehrmann, der nach drei Fehlalarmen beim vierten „Feurio!“ beschließt, lieber weiterzuschlafen. Und wir sind, vor allem in Umweltangelegenheiten, seit vielen Jahren einem beständigen Fortissimo an Warnrufen ausgesetzt, die sich oft als unberechtigt oder übertrieben herausgestellt haben, man denke nur an das (angeblich unwiderrufliche) Waldsterben, den Rinderwahn, die Schweinegrippe und Konsorten, an die Tücken der „Gen-Nahrung“. Fast noch schlimmer als die hysterischen Alarmrufe wirkt es, dass die Rufer uns nie danach in Ruhe erklären, warum die Katastrophe ausgeblieben ist und wie sie sich geirrt haben.
Diese Abstumpfung ist ein Grund dafür, dass „Klimaskeptiker“ auf offene Ohren stoßen, egal, ob sie uns erklären, dass die Atmosphäre sich gar nicht erwärme, dass sie sich schon erwärme, aber wir nichts dafür können, oder dass die anthropogene Erwärmung zwar real, aber gar nicht so schlimm sei.
Ein zweiter Grund für ihren Erfolg sind unsaubere wissenschaftlichen Praktiken mancher Vertreter des Weltklimarats, die nicht zu Unrecht als „Climategate“ bekannt wurden. Motiv dahinter war wohl meist die rotwangige Überzeugung, dass uns eine Gefahr drohe, die mit allen Mitteln abgewendet werden müsse. Das mag sein, aber zu diesen Mitteln darf es nicht gehören, Daten unseriös zu interpretieren oder zu verzerren, um den Druck noch größer zu machen.
Dass die von Menschen bewirkte Erhöhung der Treibgasemissionen einen wesentlichen Beitrag zur Erderwärmung leistet, ist heute weitgehend unbestritten. Das immer apokalyptischere Ausmalen einer „Vier-Grad-plus-Welt“ (wie es ein WWF-Sprecher formuliert) aber ist kontraproduktiv. Und besonders dumm ist der Gestus, die gute Erde oder „das Leben“ gegen den bösen Menschen in Schutz zu nehmen. Dieser Planet hat schon ganz andere Klimakatastrophen überstanden, und seine Fauna und Flora waren auch vor dem Aufkommen der Menschen keine Reiche des ewigen Friedens.
Nein, sagen wir lieber ganz nüchtern: Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit gut für unsere Zivilisation, wenn sie Maßnahmen zur Senkung der Treibhausgasemissionen fördert. Ein bisschen in dieser Richtung dürfte beim Gipfel in Durban passiert sein. Freuen wir uns darüber. Und vor allem: Lassen wir uns nicht einreden, dass es je „endgültig“ zu spät sein könnte. Das macht nur müde und gleichgültig.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2011)