Nach den jüngsten Massenprotesten gegen die Fälschungen bei der Parlamentswahl vom 4. Dezember wollen sich Altbekannte als neue Spieler positionieren. Eine Gefahr sind sie für Medwedjew, nicht aber für Putin.
Auch wenn das russische Establishment die Massendemonstrationen gegen die Fälschungen bei der Parlamentswahl vom 4. Dezember zu bagatellisieren versucht: Binnen weniger Tage ist in Russland doch einiges durcheinandergeraten.
Zwar hüllt sich Premier Wladimir Putin klugerweise in Schweigen, weil er offenbar noch immer die Stimmung ausloten und Peinlichkeiten, wie sie Kremlchef Dmitri Medwedjew mit vorschnellen Äußerungen gesetzt hat, vermeiden will. Dafür kriechen plötzlich Leute aus Löchern, in die sie in den vergangenen Monaten gedrängt wurden oder freiwillig abtauchten.
Michail Prochorow etwa. Der 46-jährige Großaktionär des Aluminiummonopolisten „Rusal“, mit 18 Milliarden Dollar der drittreichste Russe, tat Montag kund, dass er zur Präsidentenwahl im März antritt. Das ist bemerkenswert, weil er vor der Parlamentswahl vom Kreml abgedrängt wurde, als er mit der Partei „Rechte Sache“ in der Mittelschicht fischen wollte. Dass er nun eine Chance wittert, wie der Politologe Alexej Makarkin erklärt, dürfe nicht zu falschen Schlüssen führen: Prochorow ziehe nicht ins Rennen, ohne das mit Putin abgestimmt zu haben. Putin gefährlich werden kann er aufgrund seines „Oligarchen-Etiketts“ ohnehin nicht. Und auch die Vertreter jener Zehntausender, die am Samstag demonstriert haben, machen sich über ihn keine Illusionen. Ihnen geht es darum, dass im März, wenn sich Putin wieder zum Präsidenten wählen lassen will, nicht wieder gefälscht wird.
Der Finanzminister ist wieder da
Auch Alexej Kudrin meldete sich mit einem Interview zurück, bekannte Differenzen mit Putin ein und sprach vom Aufbau einer liberalen Partei. Vor zweieinhalb Monaten war der Finanzminister von Medwedjew geschasst worden, da er ihn lächerlich gemacht hatte. Kudrin schiele auf den Premiersjob, der für Medwedjew vorgesehen war, sagt Gleb Pavlovski, Ex-Berater Medwedjews, zur „Presse“. „Nicht ausgeschlossen, dass Medwedjew darauf verzichtet.“
Der liberalere Flügel im Establishment habe wohl Auftrieb, meint Makarkin. Solche Liberale würden lieber gesehen als der Anwalt Alexej Navalny, sagt Pavlovski: Vor einer Woche wurde der 35-jährige Navalny bei Protesten verhaftet. Er ist durch Korruptionsenthüllungen zum Star geworden und versteht es, Protest mit Nationalismus zu kombinieren: „Er kann Massen versammeln“, sagt Pavlovski.
Kreml-Fans marschieren auf
Derweil hielten am Montag über 25.000 Fans der Kremlpartei „Einiges Russland“ eine Gegendemo gegen die Kritiker ab. Der Gouverneur des nordrussischen Gebietes hat demissioniert, da er gestand, dass die Kreml-Partei in seiner Region nur 33,4 Prozent erzielte. Putins Sprecher stellte klar: Am Wahlergebnis werde sich nichts ändern.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2011)