Kanada trägt Kyoto-Protokoll zu Grabe

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Kyoto-Protokoll steht am Rande des Absturzes: Um Strafzahlungen zu vermeiden, steigt Kanada aus dem Klimavertrag aus. Auch Österreich droht eine hohe Pönale - worüber Umweltminister Berlakovich diskutieren will.

Ottawa/Wien. Noch am Wochenende war bei der UN-Klimakonferenz in Durban (Südafrika) beschlossen worden, das Kyoto-Protokoll über 2012 hinaus zu verlängern. Nur zwei Tage später steht der Klimavertrag hingegen am Rande des Absturzes: Kanada hat in der Nacht auf Dienstag den Austritt aus dem laufenden Vertrag bekanntgegeben – was rechtlich möglich ist.

Schon in Durban gab Kanada (ebenso wie Japan und Russland) bekannt, keiner Verlängerung zustimmen zu wollen. Nun ging Kanadas Umweltminister Peter Kent einen dramatischen Schritt weiter und machte so das Kyoto-Protokoll zu einem zahnlosen Papiertiger.

Offiziell nannte Kent als Begründung, dass das 1997 beschlossene Kyoto-Protokoll ein „Ding der Vergangenheit“ und „Hindernis“ auf dem Weg zu einer globalen Lösung für den Klimaschutz ab 2020 sei. Im Kyoto-Protokoll haben sich drei Dutzend Industriestaaten zu CO2-Reduktionen verpflichtet. Diese Länder stehen aber nur mehr für 15 Prozent des globalen Treibhausgasausstoßes – während China, die USA und Indien, die sich zu keinen Reduktionen verpflichtet haben, zusammen für mehr als 50 Prozent der Emissionen verantwortlich sind.

In Wahrheit, meinen alle Beobachter, will sich Ottawa durch den Ausstieg hohe Strafen ersparen. Das nordamerikanische Land ist einer der wenigen Staaten, die ihre Kyoto-Verpflichtungen nicht einhalten: Statt einer zugesagten CO2-Reduktion um sechs Prozent stößt das Land um 17 Prozent mehr aus. Dadurch wäre laut Regierungsangaben eine Pönale von 13,6 Milliarden Kanadischen Dollars (ca. zehn Mrd. Euro) fällig.

„Sabotage unserer Zukunft“

Strafzahlungen im engeren Sinne sind im Kyoto-Protokoll zwar nicht vorgesehen, allerdings haben sich die Staaten verpflichtet, Überschreitungen der CO2-Limits durch Ankauf von Emissionszertifikaten, also handelbaren Rechten zum CO2-Ausstoß, zu kompensieren.

Österreichs Umweltminister, Niki Berlakovich, bezeichnete den Ausstieg Kanadas – ähnlich wie viele andere Staaten – als „bedauerlich“. Andere Länder reagierten wesentlich schärfer: China, das sich beim UN-Gipfel in Durban erstmals bewegt hatte, bezeichnete Kanadas Schritt als „Schlag ins Gesicht“ der Weltgemeinschaft. Der südpazifische Inselstaat Tuvalu, der wegen des befürchteten Anstiegs des Meeresspiegels zu versinken droht, sprach sogar von einer „Sabotage unserer Zukunft“.

Man werde, so Berlakovich, aber keinen Druck auf Kanada ausüben, wieder einzusteigen, da ab 2013 auch andere Industrieländer wie Japan, Australien und Neuseeland nicht mehr dabei seien. Wichtiger sei, dass bei einem künftigen Weltklimaschutzvertrag alle Verursacher an Bord seien. Auch Kanada will daran mitwirken.

Für Österreich sei ein Ausstieg aus dem Kyoto-Protokoll „undenkbar“, betonte Berlakovich. Aber er will nun über die auch Österreich drohenden CO2-Strafen diskutieren – was ihm postwendend Kritik von Umweltorganisationen und eine Rücktrittsaufforderung durch die Grünen einbrachte.

Österreich ist bekanntlich ebenfalls ein Kyoto-Sünder: Anstatt die Emissionen um acht Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken, lagen sie 2009 um 2,4 Prozent darüber. Zum Stopfen der Lücke werden CO2-Zertifikate im Ausland gekauft: Schon bisher waren 530 Millionen Euro dafür budgetiert, laut Schätzungen werden weitere 600 Millionen fällig – und das trotz krachenden Budgets.

Für die von der EU bereits beschlossenen CO2-Reduktionspläne bis zum Jahr 2020 um 20 Prozent hat Ottawas Ausstieg aus dem Kyoto-Protokoll keine Bedeutung, wie auch Berlakovich betonte. Zumindest vorerst – denn Beobachter erwarten für die nächste Zeit sehr wohl heftige Debatten über die Zukunft dieses Emissionshandels.

Lexikon: Kyoto-Protokoll

1997 haben sich in Kyoto (Japan) 37 Industriestaaten zur Senkung ihres CO2-Ausstoßes verpflichtet. Die USA haben den Vertrag aber nie ratifiziert.

Erst 2005, nach der Ratifizierung durch Russland, ist das Protokoll
formell in Kraft getreten.

Ende 2012 läuft das Kyoto-Protokoll aus. Staaten, die zu viel CO2 aus-stoßen, müssen Zertifikate kaufen.

Bei der UN-Klimakonferenz in Durban haben sich jüngst viele Staaten zur Verlängerung des Kyoto-Protokolls bekannt – als Zwischenschritt zu einem globalen Klimaabkommen, in dem sich ab 2020 alle Staaten zu CO2-Reduktionen verpflichten sollen.

Zwei Tage nach Ende der Konferenz hat Kanada nun den Austritt erklärt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2011)

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