Assistenzeinsatz: "Wurden wie Helden empfangen"

Assistenzeinsatz duerfens denn
Assistenzeinsatz duerfens denn(c) Presse Digital (Daniel Breuss)
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16 Jahre lang leitete Friedrich Dialer den Einsatz an der Ostgrenze. Er spricht im DiePresse.com-Interview über die feldmäßigen Verhältnisse und die Effizienz des Einsatzes.

Im September 1990 begann der Assistenzeinsatz im Burgenland, den Sie 16 Jahre lang als Militärkommandant leiteten. Am 15. Dezember endet dieser offiziell. Wie begegnen Sie diesem Tag?

General-Leutnant Friedrich Dialer: Weder wehmütig, noch erfreut. Der Assistenzeinsatz stellt ja nur die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Bundesheeres dar. Ich habe mich eher gewundert, dass es so lange gedauert hat - anfangs sah es ja nur nach einem zehnwöchigen Aufenthalt aus, nach der Bereinigung einer vorübergehenden Notlage. Das es dann aber 21 Jahre werden würden, hätte ich mir nicht gedacht.

Waren die ständigen Verlängerungen sinnvoll?

Diese Frage stellt sich mir nicht. Es war ein gesetzlicher Auftrag, nämlich, die illegale Einwanderung über die grüne Grenze zu bekämpfen und die Ein- und Ausreise an den offiziellen Grenzübergängen zu kontrollieren - dazu ist das Militär da. Wir würden uns ja auf den Status einer Bananenrepublik begeben, wenn das Militär die Entscheidungen der Staatsführung infrage stellen würde.

Was hat der Einsatz gebracht?

Vor dem Zusammenbruch der kommunistischen Systeme haben unsere Nachbarstaaten die Grenzen hermetische abgeriegelt. In Ungarn gab es allein 35.000 Mann zur Bewachung der Grenze. Auf österreichischer Seite gab es nur 200 bis 300 Zollwachbeamte auf einer Grenzlänge von 500 Kilometern - eine lückenlose Überwachung war da nicht möglich. Deswegen kam das Militär ins Spiel. Andere Länder, wie Deutschland, hatten diese Möglichkeit nicht - die haben uns um unsere Grenzkontrolle beneidet.

Wie kann man sich die damalige Situation an der Grenze vorstellen?

Im Burgenland wurden in den grenznahen Ortschaften nie die Häuser versperrt. Auf einmal bewegten sich nun aber Gestalten in der Nacht, es wurde geklaut. Es musste etwas geschehen. Die Opposition reagierte verunsichert, ganz nach dem Motto von Kaiser Ferdinand den Gütigen: „Ja, dürfen's denn das?" Der Verfassungsgerichtshof hat dann entschieden, dass das Militär darf und der Assistenzeinsatz konnte beginnen.

Wie hat die Bevölkerung auf die Ankunft der Soldaten reagiert?

In den Grenzortschaften im Burgenland sind wir empfangen worden wie die Befreier, wie Helden. 15 bis 20 Kilometer hinter der Grenze sah das anders aus. Hier spürten die Leute von den Problemen der illegalen Einwanderung praktisch nichts mehr. Ich wurde öfters gefragt: „Was tut's ihr da überhaupt?" Es war wie eine kalt-heiß Dusche.

Was waren die größten Herausforderungen für die Soldaten?

Die Witterungsbedingungen. Denn die Helden aus unseren Gebirgsgegenden waren den Wind und das feuchte Wetter nicht gewöhnt. Die Grenze wurde zu Fuß oder zu Pferd patrouilliert - im Winter nur zu Fuß, da der Wind das Reiten sehr ungemütlich machte.

Wie sah es mit der Verpflegung und der Unterkunft aus?

Am Anfang hatten wir ein bisschen feldmäßige Verhältnisse. Wir hausten in beheizbaren Zelten, auf Unterlagsmatten und Schlafsäcken. Bald wurden provisorisch Wirtshaussäle angemietet, bevor wir in Container-Unterkünfte übersiedelt sind. Zuletzt installierten wir einen Baupionierzug, der Unterkünfte instandgehalten und selbst gebaut hat. Um das leibliche Wohl mussten wir uns nie sorgen: Körberldamen versorgten uns tagein tagaus mit Kaffee, Kuchen und anderen Köstlichkeiten.

Gab es auch kuriose Einsätze?

Ja. Einmal meldete sich ein Trupp, der an der Grenze bei Nikitsch im Einsatz war: „Wir haben ein paar festgenommen. Wo sollen wir sie hinbringen?" Daraufhin der Zugskommandant: „Zu dem alten Zollhaus in Nikitsch." Dort sind die beiden Soldaten dann mit 72 aufgegriffenen Illegalen aufgetaucht. Ganz Nikitsch war auf den Füßen und das Zollhaus ist fast geplatzt.

Während dem Dienst an der Grenze kam es zu 1700 Unfällen. Immer wieder gab es Tote und Verletzte.

Ja, leider. Es gab einige Schusswaffenunfälle - meist unter dem Einfluss von Alkohol. Daher habe ich auf striktes Alkoholverbot gedrängt. Immer wollten die Leute dieses Verbot aufweichen. Einige sagten zu mir: „Wenn es ein Gulasch gibt, muss man ein Bier dazu trinken." Damit fing ich gar nicht erst an, ich sagte: „Gut, dann gibt's kein Gulasch mehr."

In Summe kostete der Assistenzeinsatz rund 230 Millionen Euro. Wie sind die hohen Kosten zu rechtfertigen, wurden doch vergleichsweise wenig „Grenzgänger" abgefangen?

Das ist eine unzulässige Verbindung. Genauso gut könnte man sagen, gemessen an der Aufklärungsquote von Kleinkriminalität, könnte man die Polizei gleich abschaffen. Entweder hat ein Rechtsstaat die Möglichkeit gewisse Dinge durchzusetzen oder eben nicht. Ich möchte nicht wissen, was es gekostet hätte, wären nicht Soldaten sondern Polizisten dafür eingesetzt worden.

War der Einsatz also gerechtfertigt?

Absolut. Er hat gezeigt, dass Österreich und damit auch das Bundesheer bereit ist, gegebene Regeln und Gesetze tatsächlich umzusetzen. So wie wir auch die Straßenverkehrsordnung umsetzen müssen. Der Einsatz war richtig und effizient.

Für die Zeit nach dem Ende der Heerespräsenz will die FPÖ  eine Videoüberwachung an der Grenze installieren.

Eine Videoüberwachung ist nur dann sinnvoll, wenn es die entsprechenden Einsatzkräfte gibt, die einschreiten können, wenn etwas Verdächtiges gefilmt wird. Sonst nützt das nichts. Eine Kombination verschiedener Maßnahmen wäre wichtig.

Wie sehen Sie die Zukunft der „grünen Grenze"?

Was der Assistenzeinsatz eklatant gezeigt hat war, dass mit dem Organisationsmodell des Bundesheeres aus der Zeit des Kalten Krieges die jetzigen Herausforderungen nicht bewältigt werden können. Es braucht aktive Strukturen. Wie das aussieht, tja, in dieser Diskussion befinden wir uns immer noch.

Zum Abschluss ein Blick in eine andere Richtung: Wie stehen Sie zu der immer wieder diskutierten Abschaffung des Grundwehrdienstes?

Ich denke, momentan ist das bestehende Modell das billigste und beste - unter den gegebenen Voraussetzungen. Denn man muss die Grundwehrdiener nur so lange bezahlen, solange sie aktiv sind.
Für ein neues Modell müsste man sich an Ländern von einer vergleichbaren Größenordnung orientieren - Schweden zum Beispiel. Aber, egal, welches Modell es schlussendlich wird, das Wichtigste ist Ehrlichkeit. Die Leute müssen wissen, was wieviel kostet - von Anfang an.

Wie stehen Sie zu den Rücktrittsforderungen an Verteidigungsminister Darabos?

Das ist eine normale Reaktion der Opposition. Es sind auch andere Minister bereits zum Rücktritt aufgefordert worden. Die Grünen fordern ja fast jeden Tag jemanden zum Rücktritt auf. Das sehe ich nicht so tragisch. Bei Herrn Darabos frage ich mich aber, ob er die richtigen Rechtsberater hat.

Zur Person

General-Leutnant Friedrich Dialer wurde 1938 in Kufstein geboren. Nach dem Gymnasium zog es ihn zum Militär. Nach der Militärakademie und der Generalstabsausbildung, verschlug es ihn kurz nach Zypern und in die USA. 1986 kam er als Militärkommandant ins Burgenland, wo er ab 1990 die Leitung des Assistenzeinsatzes übernahm. Seit 2002 ist Dialer im Ruhestand.

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