Zehn Jahre Euro-Bargeld: Die ganz verkehrte Bilanz

Symbolbild: Euro.
Symbolbild: Euro.(c) AP (Denis Sarkic)
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Die gefühlte Teuerung durch die neue Währung war höher als die reale. Ein Grund sind die Löhne, die nicht mehr so stiegen wie unter dem Schilling. Der versprochene Wachstumsimpuls blieb weitgehend aus.

Wien. Vorurteile können sich bewahrheiten, auch wenn sie auf falschen Tatsachen beruhen. Das Bild, das viele Österreicher vom Euro heute haben, ist verzerrt. Das zeigt eine Bilanz statistischer Daten, mit denen „Die Presse“ versucht hat, die letzten zehn Jahre unter dem Schilling mit den ersten zehn Jahren unter dem Euro zu vergleichen. Die Teuerung war demnach weit geringer, als sie empfunden wurde. Die Stimulation der Wirtschaft durch die neue Währung war allerdings auch so gering, dass sie keine wesentliche Verbesserung brachte. Es zeigt sich, dass viele Menschen tatsächlich wenig vom Euro profitiert haben, allerdings aus anderen Gründen, als sie annehmen.

Am 1. Jänner jährt sich die Einführung des neuen Bargelds zum zehnten Mal. Bereits 1999 ist der Euro als Buchgeld gestartet worden. Die seit damals gefühlte Inflation hält mit den statistischen Zahlen nicht mit. Der Schilling brachte einst mehr Teuerung als der oft gescholtene „Teuro“. Einer der Gründe für die falsche Sicht ist, dass viele Personen Euro in Schilling nach dem einstigen Umstellungsfaktor von 13,7603 umrechnen. „Wenn wir heutige Europreise mit den alten Schillingpreisen vergleichen, müssen wir aber auf jeden Fall die kumulierte Inflation seit damals berücksichtigen. Der sich daraus ergebende Umrechungskurs wäre daher in etwa 10,5“, so Paul Schmidt, Generalsekretär der Gesellschaft für Europapolitik.

Laut Statistik Austria stiegen die Verbraucherpreise seit der Bargeldumstellung 2002 um 21,7 Prozent. Die Teuerung ist damit deutlich geringer als in den letzten zehn Jahren unter dem Schilling. Die betrug nämlich 23,2 Prozent. Wer zehn Jahre vor Einführung des Euro einen kleinen Braunen bestellte, zahlte im Durchschnitt 1,19 Euro. Zum Zeitpunkt der Euroeinführung waren es bereits 1,95, heute sind es 2,58 Euro.

Ein weiterer Grund dafür, dass die gefühlte Teuerung weit höher ist als die reale, ist die starke Preissteigerung bei Gütern des wöchentlichen Bedarfs – vor allem bei Lebensmitteln und Haushaltsartikeln. Im Warenkorb des oben angeführten Verbraucherpreisindex sind auch Waren enthalten, die nur selten erworben werden, wie etwa Möbel oder Kleidung. Diese Preise stiegen kaum. Der wöchentliche Einkauf, der über den sogenannten Miniwarenkorb errechnet wird, wurde hingegen deutlich teurer. Er stieg laut Statistik Austria seit 2002 um satte 39,4 Prozent. Erheblich teurer wurden beispielsweise Brot und Gebäck (59 Prozent). Einen Vergleich mit den letzten zehn Schillingjahren gibt es dazu nicht, weil der Miniwarenkorb erst seit dem Jahr 2000 berechnet wird.

Billigere Städtereisen, Hamburger

Der größte Preistreiber in den vergangenen zehn Jahren hatte mit Sicherheit nichts mit dem Euro zu tun. Es war der Ölpreis. Der Preis für Diesel stieg seit 2002 um nicht weniger als 85 Prozent. Billiger sind in diesem Zeitraum lediglich wenige Produkte und Dienstleistungen wie Elektronik, Städtereisen und Hamburger geworden. Reisen wurden auch durch das Wegfallen des Umtausches in anderen Euroländern günstiger. Pro Person hat dies jährliche Ersparnisse von 15 bis 50 Euro gebracht.

Ein weiterer Faktor, durch den die gefühlte Teuerung weit höher erscheint, war die eher bescheidene Lohnentwicklung. Der Tarifgehaltindex stieg in den letzten zehn Schillingjahren noch um insgesamt 31,6 Prozent. Nach der Einführung des Euro und aufgrund des zunehmenden Drucks internationaler Konkurrenz stiegen die Kollektivvertragsgehälter im Vergleichszeitraum von Anfang 2002 bis Ende 2011 nur noch um 25,3 Prozent.

Die verbreitete Ansicht, auch von Wirtschaftsexperten, wonach der Euro das Wachstum deutlich stimuliert hat, kann mit statistischen Zahlen nicht belegt werden. Das durchschnittliche jährliche Wachstum betrug in den letzten zehn Schilling-Jahren noch 2,4 Prozent. Unter dem Euro schrumpfte es auf durchschnittlich 1,8 Prozent zusammen. Mitverantwortlich war die angespannte Lage nach der Finanzkrise von 2008.

Positiv hat sich der Euro jedoch auf die Exportwirtschaft und damit auch auf die Leistungsbilanz ausgewirkt. Das Wegfallen des Wechselkursrisikos hat den europäischen Handel für heimische Unternehmen deutlich vergünstigt. Seit Einführung des Euro erhöhten sich die Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen laut Oesterreichischer Nationalbank von 40 auf 60 Prozent der heimischen Wirtschaftsleistung.

Mit dem Exportboom sind auch zahlreiche neue Arbeitsplätze entstanden. Seit der Eurobargeldeinführung 2002 stieg die Zahl der Erwerbstätigen in Österreich um insgesamt 438.000 Personen.

Grafik: Die Presse

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2011)

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