Schuldenbremse. Die ÖVP stemmt sich in den Verhandlungen zwar gegen eine Anhebung des Spitzensteuersatzes. Es könnte aber dafür zu einer Einschränkung der Steuerbegünstigung beim 13. und 14. Gehalt kommen.
. . Sollen „Reiche“ beziehungsweise Spitzenverdiener steuerlich stärker zur Kasse gebeten werden? Darüber will die ÖVP erst entscheiden, wenn strukturelle Reformen bei Pensionen, Gesundheit und Verwaltung unter Dach und Fach sind. Außerdem wird die ÖVP nach Informationen der „Presse“ einer Anhebung des Spitzensteuersatzes von derzeit 50 Prozent für einen „Solidarbeitrag“ nicht zustimmen. Als Alternative wird jedoch überlegt, dass bei besonders hohen Einkommen die steuerliche Begünstigung beim 13. und 14. Gehalt, also bei Urlaubs- und Weihnachtsgeld, entweder fällt oder eingeschränkt wird.
Variante mit einem Haken
ÖVP-Verhandler haben massive Bedenken wegen des negativen Signals, das von einer Anhebung des Spitzensteuersatzes ausginge. Von SPÖ-Politikern ist in den vergangenen Monaten mehrfach eine zumindest befristete Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 55 Prozent ab einer bestimmten Einkommenshöhe gefordert worden. Hintergrund für die Überlegungen über Einschnitte beim 13. und 14. Gehalt ist, dass durch die steuerliche Begünstigung die tatsächliche Besteuerung trotz des Spitzensteuersatzes von 50 Prozent nur bei rund 43 Prozent liegt.
Der Haken bei dieser Variante: Eingriffe beim begünstigten Urlaubs- und Weihnachtsgeld waren vor allem für den SPÖ-dominierten ÖGB bisher tabu. Denn die Gewerkschafter befürchten, dass dies nur ein erster Schritt ist, ehe auch die Steuerbegünstigung beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld für niedrigere Einkommen fällt.
Im ÖGB wollte man sich vorerst zur Frage, ob ein Antasten des Steuervorteils für Spitzenverdiener infrage komme, nicht deklarieren. „Wir wollen uns im Moment nicht zu Einzelvorschlägen äußern“, erklärte der Leitende Sekretär des ÖGB, Bernhard Achitz der „Presse“. Man solle sich jetzt „nicht verzetteln“. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter hält an seinem bisherigen Vorschlag fest, dass es für Bezieher von Jahreseinkommen ab 300.000 Euro brutto einen fünf Prozent höheren Spitzensteuersatz als Solidarbeitrag geben soll. Ihm sei diese Variante „wesentlich sympathischer“ als der Plan, beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld bei Topverdienern einzugreifen.
Finanzstaatssekretär Andreas Schieder (SPÖ) hat schon klargestellt, dass eine Solidarabgabe nicht befristet sein soll. Auf längere Sicht gesehen sollten die Mehreinnahmen zur steuerlichen Entlastung von Arbeitnehmern mit niedrigeren Bezügen eingesetzt werden. Die ÖVP will öffentlich derzeit über Pläne für Steuererhöhungen gar nicht debattieren. Für ÖVP-Obmann Michael Spindelegger und Finanzministerin Fekter steht ihr Sechs-Punkte-Sparprogramm ganz im Vordergrund.
Kräuter: Limit für Familienbeihilfe
Kräuter hat die ÖVP bereits Anfang Dezember auf die Barrikaden getrieben, als er im Gespräch mit der „Presse“ erklärte, für „80.000 Bestverdiener“ solle die Streichung von Sozialleistungen – etwa beim Pflegegeld – ins Auge gefasst werden. Er hält an diesen Überlegungen nicht nur fest, sondern denkt auch an, sie für den Bezug von Familienbeihilfe anzuwenden. „Das ist ein Diskussionsvorstoß: Sollen Sozialleistungen auch dort gewährt werden, wo keine soziale Bedürftigkeit besteht?“ Er appelliere angesichts des Umstandes, dass die Zahl der armutsgefährdeten Menschen nun zwölf Prozent der Bevölkerung umfasse, auch an jene, die sich der christlichen Soziallehre verpflichtet sehen.
Rückendeckung hat Kräuter aus seiner Heimat, der steirischen SPÖ, bekommen. Das verwundert ihn nicht, weil in der Steiermark beispielsweise der Regress für Angehörige von Menschen, die im Pflegeheim sind, wieder eingeführt wurde. Der Einwand, dass das Streichen von Sozialleistungen für „Millionäre“ einen hohen Bürokratieaufwand verursache, lässt Kräuter nicht mehr gelten: „Das ist alles, wenn man will, technisch machbar.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2011)