Vranitzky: "Fekter lässt einmal alles auf sich zukommen"

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Die Finanzministerin müsse bei der Budgetkonsolidierung stärker als bisher Regie führen, fordert Franz Vranitzky. Eine Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht lehnt der ehemalige SPÖ-Bundeskanzler ab.

Die Presse: Sie haben 1996, in der Endphase Ihrer Kanzlerschaft, gemeinsam mit der ÖVP ein milliardenschweres Sparpaket geschnürt, das dann die Basis für den späteren Eintritt in die Eurozone war. Heute geht es um den Erhalt der Eurozone. Möglicherweise werden dafür noch drastischere Maßnahmen erforderlich sein.

Franz Vranitzky: Es sind Maßnahmen nötig, die drastisch sein müssen. Das ist aber nicht alles. Es muss die politische Verantwortung in der EU so wahrgenommen werden, dass die Institutionen, jede für sich, zu ihrem Recht kommen. Das heißt: in erster Linie die Kommission, die durch das Duo Merkel-Sarkozy stark in den Hintergrund gedrängt wurde. Das heißt aber auch: das EU-Parlament. Weil wir ja immer mehr rechtfertigen müssen: Welche demokratische Legitimation haben die einzelnen Maßnahmen? Und drittens muss man auch daran erinnern, dass der Vertrag von Lissabon das Mehrstimmigkeitsprinzip etabliert hat. Bisher wird bei allen Maßnahmen Einstimmigkeit gefordert. Da werden 2012 wichtige Signale gesetzt werden müssen. Um einerseits die Märkte zu beruhigen und andererseits die Bevölkerung näher ans Geschehen heranzuführen.

Gesetzt den hypothetischen Fall, Sie wären heute Bundeskanzler und könnten mit absoluter Mehrheit und ohne auf die Gewerkschaft Rücksicht nehmen zu müssen, regieren: Wo würden Sie bei der Budgetsanierung ansetzen?

Selbst wenn ich mit absoluter Mehrheit regieren könnte, würde ich nicht darauf verzichten, eine breite Basis der Übereinstimmung herzustellen – mit den Gewerkschaften, allen Sozialpartnern und auch den Ländern.

Sind Sie für eine Schuldenbremse in der Verfassung?

Das ist jedenfalls die gültige Regierungsmeinung. Ob man das jetzt unbedingt braucht oder nicht – eine Regierung, die sich einmal dazu bekannt hat und ein Kanzler, der sich auf europäischer Ebene dazu verpflichtet hat, müssen den Weg nun natürlich weitergehen.

In welchen Bereichen könnte relativ schnell und effektiv gespart werden?

Man sollte die auf dem Tisch liegenden Vorschläge, etwa jene des Rechnungshofs, auf ihre Umsetzbarkeit prüfen und umsetzen. Und ich füge hinzu: Die Hauptrolle muss der Finanzminister, in diesem Fall die Finanzministerin spielen. Ich werde den Eindruck nicht los, die Frau Fekter lässt einmal alles auf sich zukommen und sagt dann zu den meisten Anregungen Nein. Dem Land wäre sehr geholfen, wenn die Finanzministerin die Regie führen würde, Konzepte ausarbeitet und das gecheckte Zahlenmaterial vorlegt.

Sind Sie für Vermögenssteuern? Ihr Finanzminister Ferdinand Lacina hat sie einst abgeschafft.

Sie wurden seinerzeit aus gutem Grund abgeschafft. Wir haben vor allem aus der Wirtschaft wichtige Signale bekommen, dass gerade in schweren Zeiten, in denen keine Gewinne erwirtschaftet wurden, trotzdem Vermögenssteuern gezahlt wurden. Ich finde es aber in Ordnung, wenn man das nun alles noch einmal genau überprüft. Was ich aber nicht für gut halte ist, wenn nun Woche für Woche einzelne Steuerarten herausgepickt werden. Das ergibt sofort den Nein-Reflex der politisch Andersdenkenden. Was wir brauchen, ist eine Gesamtschau.

Könnte da auch eine Erbschaftssteuer dazugehören?

Für eine Wiedereinführung spricht schon so manches. Aber ich würde mir jetzt selber widersprechen, wenn ich sagen würde, ich bin jetzt für oder gegen die Erbschaftssteuer. Ich würde, wie gesagt, einmal ein gesamtes Paket schnüren.

Die Krise ermöglicht neue Einsichten: die Frühpensionen bei den ÖBB abzuschaffen, war bisher etwa undenkbar.

Ich bin auch nicht pessimistisch. Mir liegt es fern, zu kritisieren, um der Kritik willen. Ich möchte sogar das derzeitige Bemühen der einzelnen Minister würdigen, in ihren Bereichen etwas einzubringen. Wir brauchen allerdings bei all der Notwendigkeit der Sparmaßnahmen auch eine namhafte Einsatzreserve, um Zukunftsinvestitionen sicherzustellen – in Bildung, Forschung etc.


Haben Sie Hannes Androschs Bildungsvolksbegehren unterschrieben?

Ja.

Was halten Sie von den Wutbürgern? Etliche Ihrer früheren politischen Zeitgenossen sind ja heute solche.

Der eine oder andere war immer schon wütend, zu jeder Zeit. Insgesamt beleben diese Leute die Debatte. Ich glaube, dass sie aktiven Politikern ziemlich auf die Nerven gehen. Aber es ist eine verständliche Reaktion der Zivilgesellschaft.

Sollte die allgemeine Wehrpflicht abgeschafft werden?

Das Wichtigste ist die absolute Notwendigkeit einer Heeresreform und nicht die Abschaffung der Wehrpflicht. Wenn man die Wehrpflicht abschaffen möchte, muss man auch wissen, wie man die Rekrutierung bewältigt und was man mit dem Zivildienst macht. Und man muss sich auch überlegen, welche Auslese eine solche freiwillige Rekrutierung für das Heer mit sich bringt. Wenn ich das alles zusammenfasse, sage ich: Ich sehe keine Veranlassung zur Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht.

Sie galten als der Haider-Antipode. Würden Sie so weit gehen, zu sagen, dass die FPÖ unter Strache unproblematischer ist – NS-Anspielungen oder -Verharmlosungen hat es von ihm als Parteichef nicht gegeben?

Faymann geht davon aus, dass die isolationistische Anti-EU-Einstellung Straches Grund genug ist, an eine allfällige gemeinsame Regierung SPÖ-FPÖ nicht zu denken. Da gebe ich ihm absolut recht.

Mit der Milde des Alters: Hat Jörg Haider Ihrer Meinung nach auch etwas richtig gemacht?

Für gar nicht so wenige Leute war er attraktiv. Aus welchen Gründen auch immer.

Auf einen Blick

Franz Vranitzky, geboren am 4. Oktober 1937 in Wien, war von 1986 bis 1997 Kanzler und von 1988 bis 1997 SPÖ-Chef. Seine politische Karriere begann der promovierte Handelswissenschaftler als Finanzminister. Davor war er Generaldirektor der Länderbank gewesen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2011)

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