Die Bilanz: Eine Lachnummer namens Sparprogramm

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Die gute Nachricht: Die zwei Milliarden für das Sparpaket lassen sich locker ausgabenseitig auftreiben. Die schlechte: Wir werden für die Sanierung des Budgets sehr viel mehr Geld benötigen.

Die Regierung hat sich jetzt also die Einsparung von (oder, was wahrscheinlicher ist: die Belastungserhöhung um) zwei Mrd. Euro pro Jahr vorgenommen. Sie weiß aber, wie nicht anders zu erwarten, noch immer nicht, wie. Um diesen Missstand zu beseitigen, sollen bis Mitte Jänner die Köpfe von fünf Arbeitsgruppen rauchen.

Die sind das Erste, was eingespart werden kann. Das der Kanzlerpartei ja nicht ganz fernstehende Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) hat sich dieser Mühe schon 2010 unterzogen (Aiginger, Schratzenstaller, „Budgetkonsolidierung als strategische Aufgabe“) und dabei ein ausgabenseitig kurzfristig zu realisierendes Einsparungspotenzial geortet, das größer als der genannte Konsolidierungsbedarf von zwei Milliarden ist. Durch Maßnahmen wie Ausnutzung der natürlichen Fluktuation in der öffentlichen Verwaltung (bis zu 1,1 Mrd. Euro), Durchforstung von Unternehmensförderungen (0,9 Mrd. Euro), Effizienzsteigerungen im Gesundheitswesen (300 Mio. Euro), rasch umsetzbare Maßnahmen etwa bei ÖBB-Pensionen (300 Mio. Euro) etc. könnte ein jährliches Einsparungspotenzial von 1,9 bis 2,9 Mrd. Euro realisiert werden, heißt es darin. Und zwar innerhalb von ein bis zwei Jahren – ohne Steuern zu erhöhen.

Passt, mission accomplished. Das ist Geld, das sozusagen auf der Straße liegt und nur noch aufgehoben werden muss. Wenigstens dazu wird die Regierung Faymann/Spindelegger doch hoffentlich in der Lage sein. Bevor jetzt jemand Hurra schreit: Wir haben auch noch eine schlechte Nachricht. Ein Einsparungsvolumen von zwei Mrd. Euro im Jahr ist keine Budgetkonsolidierung, sondern eine unfassbare Lachnummer. Die auch dadurch nicht besser wird, dass die vom Staatsschuldenausschuss kommt. Denn das ist reine Polit-PR.

Sehen wir uns das an: Für 2012 hat das Finanzministerium ein Bundesdefizit von 9,17 Mrd. Euro „geplant“. Das sind 14,2 Prozent der erwarteten Bundeseinnahmen von 64,4 Mrd. Euro (die wegen der Konjunkturkrise aber wahrscheinlich niedriger ausfallen werden). Spart man da zwei Milliarden ein, dann fehlen in der Kassa noch immer 7,17 Milliarden. Man gibt also „nur“ noch um elf statt um 14,2 Prozent mehr aus, als man einnimmt. Das nennt man „Budgetsanierung“ oder gar „Sparen“? Da lachen ja die Hühner, um beim „Gackern“-Bild des Bundeskanzlers zu bleiben.

Es kommt aber noch dicker: Die zwei Mrd. reichen gerade aus, um die hohen jährlichen Infrastrukturausgaben des Bundes für die Eisenbahn abzudecken. Die Bahnschulden, die ja de facto immer schon Staatsschulden (und nicht, wie jetzt dargestellt, Bundesgarantien für ÖBB-Schulden) waren, müssen nämlich ab 2014 mit hoher Wahrscheinlichkeit ins Budget übernommen werden. Womit natürlich die Neuverschuldung für die insgesamt laut Rechnungshof rund 55 Mrd. Euro teure Bahntunnelorgie das Defizit erhöhen wird. Damit ist das jetzt angepeilte „Sparpaket“ ab 2014 kompensiert – und wir stehen sanierungsmäßig wieder bei null.

Es lauern aber auch noch ein paar Sondereffekte im Gebüsch. Zum Beispiel die laufenden Sanierungen der notverstaatlichten Banken Hypo Alpe Adria und Kommunalkredit (genau: der Abwicklung der aus der Kommunalkredit herausgelösten Bad Bank KA Finanz) sowie der ebenfalls ins Schwimmen geratenen ÖVAG. Da kann man konservativ von acht bis zehn Mrd. Euro Budgetbelastung ausgehen.

Wenn wir da bis 2017 zu einem regelkonformen strukturellen Defizit von etwas mehr als einer Mrd. Euro (0,35 Prozent des dann zu erwartenden BIPs) kommen wollen, dann wird das jährliche Einsparungsvolumen ein Vielfaches der genannten zwei Mrd. Euro ausmachen müssen.

Die Finanzexperten vom Föhrenbergkreis haben eine „Milchmädchenrechnung“ (Eigendefinition) angestellt. Derzufolge liegt das kumulative Einsparungserfordernis bis 2017 nicht bei zehn, sondern bei rund 100 Mrd. Euro. Also beim Zehnfachen. Diese Rechnung geht freilich unter anderem davon aus, dass es bis dahin noch einmal zu einem Banken-Bail-out über 20 Mrd. Euro kommen wird, das „Umfallen“ mehrerer Eurostaaten Österreich zehn Mrd. Euro kostet und die drohende Rezession vier Mrd. Euro an Exportkreditgarantien schlagend werden lässt. Ein Worst-Case-Szenario, das man zwar nicht ausschließen kann, das aber so hoffentlich nicht eintreten wird.

Aber selbst wenn man das wieder abzieht, sieht man mit freiem Auge, dass mit den lächerlichen zwei Mrd. Euro, über die jetzt so viel „gegackert“ (© Werner Faymann) wird, kein ausgeglichener Staat zu machen sein wird. Es wäre also nett, wenn die Regierung selbst den echten Konsolidierungsbedarf einmal nachrechnen ließe und uns dann sagen würde, wie sie diesen zu decken gedenkt.

Das wird nämlich sehr viel „grauslicher“, als man uns vor den Wahlen 2013 zu sagen traut. Und dann möge sie ernsthaft darangehen, nicht nur zu überlegen, wie in das Fass oben mehr (Steuer-)Geld hineingeschüttet werden kann, als unten herausrinnt. Sondern wie man die Löcher stopft. Solange etwa, wie im konjunkturell guten heurigen Jahr, die Zuwendungen an die Länder schneller steigen als die Steuereinnahmen, so lange brauchen wir über Steuererhöhungen gar nicht zu reden. Die wären dann nämlich sinnlos.


E-Mails: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2011)

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