Büroleiter – eine Erregung: Warum uns Nobody P. etwas angeht

Vier gute Gründe, warum sich der einzelne Bürger doch für die Personalpolitik im ORF interessieren sollte: sein Geld, seine Demokratie, sein Widerstand, sich nicht hinters Licht führen zu lassen.

Wer ist schon Niko Pelinka? Wenige Österreicher kennen ihn wahrscheinlich. Und noch weniger dürften sich dafür interessieren, dass er künftig Büroleiter von ORF-Chef Alexander Wrabetz sein soll. Die meisten sehen sicher nicht ein, warum das Ganze, Jobwechsel eines Nobody plus Aufregung, sie überhaupt kümmern sollte.

Es sollte. Das besagte Ganze hat nämlich eine demokratiepolitische Komponente, die auch den einzelnen Bürger angeht, obwohl er sich fragt, was ihn das angeht. Und diese verläuft so: Eine gefestigte Demokratie funktioniert nur, wenn Medien ihre Kontrollaufgaben ungehindert wahrnehmen können, öffentlich-rechtliche inklusive. Der ORF hatte es in den letzten Jahrzehnten oft schwer genug. Jetzt aber ist er der Politik stärker ausgeliefert als je zuvor. Das schwächt die Demokratie und zwar mit einer atemberaubenden Unverfrorenheit.

Und das sollte den Einzelnen nicht interessieren müssen? Pelinka ist nicht die erste Politbestellung im ORF und wird auch nicht die letzte sein. Es gibt aber etliche Aspekte, die diese von anderen unterscheiden.

Erstens wurde seit der Wiederwahl von Alexander Wrabetz bezüglich des Wechsels Pelinkas vom ORF-Kuratorium (Chef des SPÖ-Freundeskreises dort) in den ORF dementiert, was das Zeug hielt. Alles gelogen, stellt sich jetzt heraus. So hinters Licht führen dürfen sich Bürger nicht lassen.

Zweitens haben Werner Faymann und Laura Rudas nicht einmal mehr den Anstand, den Zugriff der SPÖ auf den ORF elegant durchzuziehen. Drittens bezahlen die ORF-Konsumenten nun auch mit der eben beschlossenen Erhöhung der Zwangsgebühren die offenen Rechnungen der Wrabetz-Wahlhelfer. Für einen von ihnen wurde um gutes Geld ein ebenso neuer wie überflüssiger Posten (Bundesländerkoordinator) geschaffen. Was sich Wrabetz da unter SPÖ-Patronanz leistet, hat den einzelnen Bürger sehr wohl zu interessieren. Es ist sein Geld. Ob sich Wrabetz in den Spiegel schauen kann, muss ihn nicht beschäftigen.

Und schließlich viertens: Weil der 25-jährige Pelinka, dessen selbstbewusstes Auftreten ohne erkennbare Basis an Leistung bisher ist, sich um seine künftige Karriere in der SPÖ oder im ORF kümmern muss, wird er sich wohl jedem Wunsch der SPÖ-Zentrale beugen. Etwas anderes ergibt keinen Sinn.

Er wird aber nicht einmal wie etwa Staatssekretär Sebastian Kurz politisch zur Verantwortung gezogen werden können. Insgesamt also ein Szenario der totalen Hilflosigkeit einer gefoppten Öffentlichkeit? Nicht ganz: ORF-Konsumenten könnten in Massen-E-Mail-Aktionen an ORF und SPÖ protestieren, mit Seherstreik die QRF-Quoten in den Keller treiben, ORF-Gebühren zu Hunderttausenden auf ein Treuhandkonto legen oder sogar vor dem ORF-Zentrum demonstrieren. Zu viel Aufwand wegen eines Büroleiters?

Um ihn geht es gar nicht, sondern um die Machtfantasien einer Partei und in letzter Konsequenz eben um demokratiepolitische Hygiene. Es gab in den vergangenen Tagen nicht wenige Gutmeinende, die von Kritik an diesem kalten parteipolitischen Putsch im ORF abgeraten haben, weil es sonst keine Einladungen zu Diskussionen mehr geben würde. Die Antwort darauf konnte nur lauten: Na und? Dann eben nicht. Wichtiger ist, Verstöße gegen demokratiepolitische Spielregeln nicht mit Schulterzucken zu quittieren.


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Zur Autorin:

Anneliese Rohrer ist Journalistin in Wien: Reality Check http://diepresse.com/blog/rohrer. Der nächste Mutbürger-Stammtisch findet am 16. Jänner 2012 um 17 Uhr im Burgkino in Wien statt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.12.2011)

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