Die EU-Kommission prüft, ob Ungarn mit seinen umstrittenen Reformen gegen EU-Recht verstößt. Der SPÖ-Europaabgeordnete Leichtfried fordert den Rücktritt von Ministerpräsident Orban.
Die EU will rasch auf die umstrittenen Reformen Ungarns reagieren. Bereits am Freitag könnte über Maßnahmen gegen die rechtsgerichtete Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban entschieden werden.
Auslöser für den Konflikt ist die Änderung der Verfassung und der Beschluss von Gesetzen, die die Unabhängigkeit der Notenbank und von Richtern beschränken. Die EU-Kommission prüft, ob mit den Reformen gegen EU-Recht verstoßen wird. Vor allem die Restriktionen der Budapester Zentralbank sind der EU ein Dorn im Auge. Orban hat im Parlament mit der Zwei-Drittel-Mehrheit seiner rechtsgerichteten Partei "Fidesz" beschließen lassen, dass Notenbank und Finanzmarktaufsicht zu einer Behörde zusammengelegt und wichtige Vertreter von der Regierung nominiert werden. "Damit hat Orban eine rote Linie überschritten", sagte ein Brüsseler Diplomat am Mittwoch.
Leichtfried: "Lage immer dramatischer"
Der SPÖ-Delegationschef im EU-Parlament, Jörg Leichtfried, forderte den Rücktritt Orbans. Die Lage werde "immer dramatischer". Ungarn stehe vor dem moralischen und finanziellen Ruin. "Ein Rechtsradikaler wurde unter Orban Theaterdirektor in Budapest, der IWF muss das Land vor dem Bankrott retten und gewählte Abgeordnete der Opposition werden von der Polizei festgenommen", so der Europaabgeordnete. Kritik übte er auch an der EU-Kommission. Diese habe sich "mit Kritik unverständlicherweise sehr zurückgehalten".
Der französische Außenminister Alain Juppé bezeichnete das neue ungarische Grundgesetz als Problem. Die Kommission müsse prüfen, ob die Verfassung mit den rechtstaatlichen und demokratischen Prinzipien der EU vereinbar sei.
Die EU-Kommission kann gegen einen Mitgliedsstaat ein Vertragsverletzungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof einleiten, wenn sie einen Verstoß gegen EU-Recht ortet.
Nach Artikel 7 des EU-Vertrages gibt es außerdem die Möglichkeit, dass die Staats- und Regierungschefs der EU mit Vier-Fünftel-Mehrheit eine "eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung" der Grundwerte der Union feststellen. Bei anhaltender Verletzung können letztlich als Sanktion bestimmte Rechte wie das Stimmrecht im Rat ausgesetzt werden. Zu den Grundwerten der EU gehören Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Menschenwürde und Wahrung der Menschenrechte.
Die ungarische Opposition hofft im Streit um die Reformen aber vor allem auf den IWF. Dieser dürfte einem Kredit für das finanziell angeschlagene Land nur zustimmen, wenn das Land Auflagen erfüllt. Darunter könnte womöglich auch die Änderung des Notenbankgesetzes sein.
Ungarn will in Österreich für Finanzhilfe werben
Ungarn will bei der österreichischen, deutschen und französischen Regierung um Unterstützung für weitere internationale Finanzhilfen werben. Er werde in Vorgesprächen über mögliche Kredite von Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds auch Deutschland, Frankreich und Österreich besuchen, sagte der zuständige Minister Tamas Fellegi am Mittwoch in einem Interview mit dem Wochenmagazin "Figyelo". Die Regierung wird demnach bereits in der nächsten Woche mit dem IWF verhandeln.
In Ungarn selbst haben in den letzten Tagen zehntausende Menschen gegen die Regierung Orban demonstriert.
(Ag./Red.)