Warum Griechenland (noch) nicht aus dem Euro aussteigt

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Zu oft hat Angela Merkel betont, „alles“ für die Euro-Rettung tun zu wollen. Jetzt nutzt Athen die Eurokrise, um Berlin quasi zu erpressen. Das Land wird von seinen Schulden erdrückt.

Wien. Die Ankündigung des griechischen Regierungssprechers Pantelis Kapsis klingt wie eine ernste Drohung: „Die Vereinbarung über Rettungshilfen muss unterzeichnet werden, andernfalls sind wir von den Märkten abgeschnitten und raus aus dem Euro“, sagte er am Dienstag im Fernsehen. „Die Lage wird sich dann sehr verschlechtern“, so Kapsis.

Noch nie zuvor hat die griechische Regierung einen Euro-Ausstieg offiziell in Erwägung gezogen. Aber Kapsis weiß: Allein die Möglichkeit in den Raum zu stellen, bringt die solventen Staaten der Eurozone unter Druck. Angela Merkel, die führende Politikerin in Europa, hat mehrmals klargestellt, dass der Euro in seiner Maximalvariante zu erhalten sei. Koste es, was es wolle. Aber immer mehr Menschen und Experten stellen sich die Frage: Wird das klappen? Und wenn nicht, wie funktioniert ein Euro-Ausstieg?

Dass die Regierung in Athen diese Möglichkeit in Erwägung zieht, ist kein Wunder. Das Land wird von seinen Schulden erdrückt – mit eigener Währung könnte man selbst für Inflation sorgen und die Schuldenlast senken. Der Weg dorthin wäre allerdings beschwerlich. Ähnlich wie Argentinien im Jahr 2001 müsste Griechenland die Währungsreform unauffällig vorbereiten und überraschend durchziehen – zum Beispiel an einem langen Wochenende.

Die Grenzen müsste man schließen und Kapitalverkehrskontrollen einführen – sonst würden die Griechen ihr Euro-Bargeld schnellstmöglich außer Landes schaffen. Denn eine Währungsreform wäre auch ein Haircut für die Griechen – die Sparguthaben würden nach der Wiedereinführung der Drachme für ein, zwei Wochen gesperrt bleiben – und an Wert verlieren, weil die neue Drachme schnell abwerten würde.

Die Ausstiegserpressung

Deswegen ist der Euro in Griechenland noch populär. Solange Deutschland beteuert, „alles“ für die Rettung des Euro tun zu wollen, kann Athen einen Wunsch nach dem anderen an Berlin richten. Immer mit der Drohung versehen: Sonst steigen wir aus. Nach fast zwei Jahren Euro-Rettungspolitik wäre das fatal. Die Märkte würden Portugal und Italien sofort als weitere Ausstiegskandidaten identifizieren. Alles Kapital würde flüchten, der Euro wäre angezählt.

Es gibt Gerüchte, dass Deutschland (und sogar Österreich) selbst einen Euro-Ausstieg vorbereiten. Diese werden aber von der deutschen und der österreichischen Nationalbank auf „Presse“-Anfrage heftig dementiert. Weder würde man neue D-Mark- oder Schilling-Scheine drucken, noch sei eine Notfallswährung bereits eingelagert. Die Bundesbank hatte in der Zeit des Kalten Krieges eine zweite DM-Serie vorrätig, falls die Russen den Westen mit gefälschten DM-Noten fluten sollten.

Die Gerüchte vom Ableben des Euro sind also falsch. Aber hartnäckig. Selbst das „Wall Street Journal“ berichtete im Dezember, dass die irische Notenbank bereits überlege, ausrangierte Druckerpressen wieder in Betrieb zu nehmen: um die Wiedereinführung des Pfund vorzubereiten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2012)

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