In SPÖ und ÖVP scheinen die Parteichefs nicht zu führen.
Das soll nicht zynisch klingen: Die Ex-Großparteien sind nicht zu beneiden. In den vergangenen Jahrzehnten verloren sie tausende Wähler, nicht aber Abhängigkeiten und Unterorganisationen. Im Gegenteil: Aus Angst vor weiteren Verlusten meiden sie Reformschritte, die ihre Klientel treffen könnten. Dass Michael Spindelegger einen Beamtenaufnahmestopp fordert, ist die Ausnahme. Dass sich Werner Faymann ihm via Facebook anschließt, lässt zumindest die Hoffnung zu, dass er begreift, wie man neue Medien nutzt.
Allein: Bei beiden Herren werden Zweifel an ihrer internen Durchsetzungskraft stärker. Werner Faymann dürfte – vielleicht aus Bequemlichkeit – nur noch vorlesen, was ihm Wiens Arbeiterkammer-Boss Werner Muhm aufschreibt. Und unter Michael Spindelegger scheint wieder (bündische) Anarchie zu herrschen: Beamtengewerkschafter Fritz Neugebauer lehnt die Aufnahmestopplinie seines Parteichefs nonchalant ab, und in der ÖVP scheint dies keinen zu wundern. Auch dass der Klubchef Steuererhöhungen für möglich hält, solange nur die SPÖ die Verantwortung übernimmt, während der Generalsekretär neue (Erbschafts-)Steuern mit dem Hinweis ausschließt, Österreich sei nicht Nordkorea, lässt am Vorhandensein einer orchestrierten Strategie zweifeln. Statt wolkige PR-Termine über mehr direkte Demokratie zwecks FPÖ-Zuneigung an der Hand von Sebastian Kurz zu absolvieren, sollte Spindelegger Klartext reden. Auch über die Steuerpolitik seiner Partei.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2012)