Reichensteuer? "Am Ende kommen alle dran"

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Dieser Bundesregierung fehle es an Mut, sagt Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl. Er fordert einen Aufnahmestopp im Staatsdienst und umfassende Einsparungen - auch bei den Wirtschaftsförderungen.

Die Presse:Ihr früherer Vizegeneralsekretär in der Wirtschaftskammer, der heutige Minister Reinhold Mitterlehner, hat einen Schlüssel aus 30 Prozent Steuern und 70 Prozent Einsparungen für die Schuldenbremse in Erwägung gezogen. Ist das in Ihrem Sinn?

Christoph Leitl: Das ist vielleicht im Sinn der Regierung, aber nicht in meinem. Man kann das Budgetdefizit auch entfernen, ohne Steuern und Abgaben zu erhöhen.

Die SPÖ besteht auf neuen Steuern, deshalb wird es in der Koalition nicht ohne gehen. Das wissen Sie so gut wie Mitterlehner.

Ich verstehe dieses SPÖ-Gerede nicht. Von wegen, die Reichen sollen zahlen. Am Ende kommen alle dran. Das ist doch nicht mehr als ein parteipolitischer Slogan, der sich nicht dazu eignet, ein Budget sinnvoll zu sanieren.

Das Gerede kommt doch nicht nur aus der SPÖ. Landeshauptmann Erwin Pröll und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner fordern von Spitzenverdienern einen Solidarbeitrag.

Ich kann mir eine Finanztransaktionssteuer vorstellen. Wenn der Kanzler sagt, er habe diese Steuer mit seinen Kontakten zu Angela Merkel und Nicolas Sarkozy in Europa sozusagen salonfähig gemacht hat – warum setzt man sie dann nicht um? Dafür bin ich zu haben, aber nicht für ein pures Aussackeln.

Was denken Sie sich denn, wenn die Innenministerin „Her mit dem Zaster!“ ruft?

In einer Demokratie gibt es unterschiedliche Meinungen – das trifft auch auf Parteien zu. Daher verstehe ich das als pluralistische Meinungsäußerung.

Interessant: Bei SPÖ-Politikern nennen Sie es Populismus, bei Ihren Parteifreunden Pluralismus.

Die SPÖ gaukelt den Leuten seit zwei Jahren vor, dass sie alle ungeschoren bleiben, wenn den Reichen nur genug weggenommen wird. Das ist schlicht die Unwahrheit. Aber über eine Maßnahme wie den Solidarbeitrag zu diskutieren ist nicht per se unredlich.

Sind Sie auch der Meinung, dass Bezieher hoher Einkommen einen Solidarbeitrag leisten sollten?

Nein, ich habe einen anderen Vorschlag: Wenn Bund, Länder und Gemeinden ihre Gesamtausgaben nur um fünf Prozent kürzen würden, wäre das gesamte Defizit weg.

Klingt gut, aber können Sie das konkretisieren? Wo sollen die Ausgaben gekürzt werden?

Die Vorschläge der Experten sind seit Jahr und Tag bekannt: von der Staats- über die Pensionsreform bis hin zur Schulorganisation und zum Spitalswesen, um nur die wichtigsten zu nennen. Aber die Regierung ist nicht willens oder imstande, den Hebel in diesen Bereichen anzusetzen. Es wird immer nur erklärt, warum etwas nicht geht.

Was ist der Grund für diese Reformfaulheit?

Die ängstliche Befindlichkeit, irgendjemandem wehzutun und dafür am Wahltag bestraft zu werden. Dieser Regierung fehlt es an Mut. Aber den fordere ich ein.

Ist die Regierungsspitze zu schwach?

Ich will den Vizekanzler nicht ausnehmen, aber die Hauptverantwortung liegt beim Kanzler. Er koordiniert die Regierungsarbeit.

Denken Sie auch über die Wirtschaftsförderungen nach, wenn Sie über Einsparungen sprechen?

Ich nehme die eigene Klientel natürlich nicht aus. Auch bei den Wirtschaftsförderungen sind wahrscheinlich fünf Prozent drinnen, wenn man sich die Dinge genau anschaut.

Welche Förderungen sollte man streichen?

Streichen muss man gar keine. Aber man könnte zum Beispiel die Direktförderungen durch Haftungen ersetzen.

Eigentlich haben Sie ein ähnliches Problem wie der Kanzler. Mit den Landeskammern ist der Wirtschaftskammer-Apparat ähnlich starr wie das Staatsgebilde mit Bund und Ländern. Sie könnten als Reformer mit gutem Beispiel vorangehen.

Wir haben das zwar nicht perfekt, aber schon ganz ordentlich gemacht – und die Ausgaben um 30 Prozent gesenkt. An der Schnittstelle zwischen Bundeskammer, Landeskammern und Fachverbänden läuft gerade ein Projekt, das uns bis 2015 Einsparungen um weitere 15 Prozent bringt. Umgekehrt haben wir die Leistungen ausgebaut. Denken Sie nur an das weltweite Netz der Außenhandelsstellen.

Ich kann diese Zahlen jetzt schwer verifizieren. Aber mit einem geregelten Einkommen kann man die Leistungen vermutlich leichter ausbauen. Ist es nicht ein bisschen scheinheilig, wenn eine Wirtschaftskammer, die den freien Markt predigt, Pflichtbeiträge von ihren Mitgliedern einhebt?

Nein, ist es nicht. In der Praxis funktioniert es nicht anders. Schauen Sie sich in Europa jene Kammern an, die keine gesetzliche Mitgliedschaft haben. Das sind schwache Vereine, die von Lobbying leben. Sie setzen sich für einzelne Firmen ein und werden dafür bezahlt.

Das nennt man, glaube ich, Marktwirtschaft.

Wir leisten etwas, was wir ohne gesetzliche Mitgliedschaft nicht leisten könnten – wir behandeln alle gleich.

Es gibt keinen Widerspruch zwischen Pflichtmitgliedschaft und freiem Markt?

Überhaupt nicht.

ÖVP-Chef Michael Spindelegger verlangt einen Aufnahmestopp im öffentlichen Dienst. Sie auch?

Das ist eine vernünftige Ansage.

Wie wollen Sie Ihren Parteifreund Fritz Neugebauer, den Chef der Beamtengewerkschaft, davon überzeugen?

Ich glaube, dass man den Fritz Neugebauer einfangen kann. Wenn man ihn einbindet, wird er von sich aus Vorschläge machen.

Ist es nicht problematisch, wenn jemand in Zeiten wie diesen gleichzeitig Zweiter Nationalratspräsident und Vorsitzender einer Teilgewerkschaft ist – zum Beispiel für die ÖVP?

Die beiden Funktionen sind nicht zwangsläufig unvereinbar. Wenn es zu einem Interessenkonflikt kommt, dann ist er ja ohnehin für alle ersichtlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2012)

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