IWF misstraut Athen und will härteren Sanierungsplan

misstraut Athen will haerteren
misstraut Athen will haerteren(c) Dapd (Axel Schmidt)
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Im ersten Quartal 2012 entscheidet sich das Schicksal Griechenlands. 70 Prozent der Griechen befürworten den Euro, die Rückkehr zur Drachme gilt als Horrorvision. Für Notenbankchef Provopoulos wäre es "die Hölle".

[Athen] „Wenigstens über die Feiertage hätten sie uns doch in Ruhe lassen können mit den Hiobsbotschaften“, klagt Andreas N. Der Athener Anwalt macht sich aber nichts vor: Er sieht ein düsteres Jahr auf sein Land zukommen.

Womöglich noch düsterer, als bisher befürchtet: Laut einem Bericht des "Spiegel" glaubt der Internationale Währungsfonds IWF nicht mehr an eine Wirksamkeit der bisherigen Maßnahmen und will die Eckpunkte des Sanierungsprogramms ändern. Vertreter von EU, EZB und IWF werden also bei ihrem nächsten Besuch Mitte Jänner als Bedingung für neue Kredite einen noch härteren Sanierungskurs fordern. Für Hunderttausende von privat Beschäftigten könnte das durch weitere Kürzungen ein Bruttomonatseinkommen von 570 Euro bedeuten. „Wie sollen wir mit bulgarischen Löhnen leben, wenn die Lebenshaltungskosten höher sind als in Nordeuropa?“, ereifert sich Verkäuferin Eleni V. Gewerkschaften haben bereits Proteste gegen die geplante Abschaffung des Mindestlohnes sowie des 13. und 14. Monatsgehalts in der Privatwirtschaft angekündigt. Und Premier Lukas Papademos‘ Regierungspartner weigern sich, weitere Kürzungen mitzutragen.

Schreckgespenst Drachme

Papademos hat seine Landsleute zu Neujahr auf harte Zeiten eingestimmt. In den ersten drei Monaten werde sich das Schicksal Griechenlands für die kommenden Jahrzehnte entscheiden, sagte Papademos. Im ersten Quartal müssen die Verhandlungen mit privaten Gläubigern über einen 50-prozentigen Schuldenschnitt und mit EU, EZB und IWF über den neuen Mammutkreditvertrag in Höhe von 130 Mrd. Euro abgeschlossen werden. Ansonsten drohe schon im März der Staatsbankrott. Mit katastrophalen Folgen für das Land, wie etwa einer Rückkehr zur Drachme.

Für Notenbankchef Jannis Provopoulos wäre das „die Hölle“ und würde Griechenland über Jahrzehnte auf ein wirtschaftliches Niveau der 1950er-Jahre zurückwerfen. Das Schreckgespenst der Rückkehr zu einer erheblich abgewerteten Drachme wird den Griechen – 70 Prozent befürworten den Euro – vor allem dann vorgehalten, wenn es gilt, die Sozialpartner auf einen noch härteren Sparkurs einzuschwören.

Die tiefe Rezession verängstigt die Griechen. Die Arbeitslosenrate nähert sich den 20 Prozent. Ein frohes neues Jahr mochte da kaum jemand wünschen – öfter hörte man: „Viel Kraft für schwere Zeiten.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2012)

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