Ungarns Defizit: Nicht doppelt, aber 10 Prozent höher

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A zoomed photo of supporters of Hungarys main, right wing opposition party waving national flags as (c) AP (Bela Szandelszky)
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Berichte, wonach Ungarns Defizit um 100 Prozent höher sei als noch kürzlich prognostiziert, entpuppten sich als falsch. Der Fehlbetrag macht "nur" zehn Prozent aus.

Die internationalen Finanzmärkte standen am Montag kurzzeitig unter Schock. Eine Falschmeldung der Deutschen Presseagentur berichtete von einem explodierenden Defizit in Ungarn, das nun um 100 Prozent höher sei als noch kürzlich prognostiziert. Tatsächlich musste die Regierung unter Viktor Orban eingestehen, dass sie das Defizit im vergangenen Jahr um zehn Prozent verfehlt hat. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums lag der Fehlbetrag im abgelaufenen Jahr bei 1,73 Billionen Forint (etwa 5,5 Mrd. Euro).

Zuletzt wurde deutlich, dass Ungarn immer größere Probleme hat, seine Gläubiger zu bedienen und neue Kredite aufzunehmen. Ähnlich wie bei dem Euro-Sorgenkind Griechenland kann eine Zahlungsunfähigkeit nicht mehr völlig ausgeschlossen werden. „Ein Restrisiko besteht, und das Vertrauen der Investoren hat einen tiefen Knacks bekommen“, meint Fondsmanager Viktor Szabo von Aberdeen Asset Management. Die Lage scheint verfahren, doch Szabo rechnet damit, dass der IWF Ungarn letztlich den Fängen des Pleitegeiers entreißt. Am vergangenen Freitag stufte als letzte der drei großen Ratingagenturen auch Fitch die Kreditwürdigkeit Ungarns auf Ramschniveau herab.

Das Land kämpft außerdem mit dem Verfall der nationalen Währung Forint und hohen Aufschlägen bei der Kreditbeschaffung auf den freien Märkten. Nachbar Österreich, dessen Geldinstitute wie Erste Group, Raiffeisen Bank International und Volksbanken AG in Ungarn stark engagiert sind, spürt die Probleme Ungarns an den Finanzmärkten mit steigenden Kosten für seine Kreditausfallversicherungen (CDS). Österreichs Institute haben laut Statistik der Basler Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) alles in allem mehr als 41 Milliarden Dollar in Ungarn angelegt, gefolgt von Italien mit Gesamtinvestitionen von 23,39 Milliarden und Deutschland mit 21,38 Milliarden.

Vorerst kein Geld aus Brüssel

Die EU will so lange mit Ungarn nicht über Finanzhilfen sprechen, wie die Zweifel am neuen Zentralbankgesetz nicht ausgeräumt sind. Die Unabhängigkeit der Notenbank wurde per Gesetz stark eingeschränkt. Zuletzt hat die Regierung freilich ein Einlenken signalisiert. Wegen seiner wirtschaftlichen Schwierigkeiten bemüht sich Ungarn seit November vergebens um einen neuen Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Union. Am vergangenen Freitag hatte Ministerpräsident Viktor Orban dazu ein Krisentreffen einberufen. Diese Woche sollen mit dem IWF Gespräche aufgenommen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10. Jänner 2012)

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